SFB 1187 ›Medien der Kooperation‹ an der Universität Siegen

P04 - Precision Farming: Ko-operative Praktiken des Virtual Fencing

 

Das Projekt untersucht sensor-basierte ko-operative Medien- und Datenpraktiken der Präzisionslandwirtschaft und des Closed-Loop-Sensing zur Einhegung von Tieren. Damit leistet es einen praxeologischen Beitrag zur Medien-, Technik- und Agrargeschichte von Grenzpraktiken nebst der empirischen Analyse ihrer Implementierung.

 


 

Zusammenfassung

Das Teilprojekt „Precision Farming: Ko-operative Praktiken des Virtual Fencing“ untersucht kollaborative, auf Basis von Sensortechnologien stattfindende Prozesse der Semi-Autonomisierung im Feld des Precision Farming aus medientheoretischer, -historischer und -praxeologischer Perspektive. Vor dem Hintergrund aktueller gesellschaftspolitischer und ökologischer Herausforderungen im Agrarsektor evaluiert das Teilprojekt am Beispiel des digitalen Hütens die Frage, wie durch kooperative Medienpraktiken heterogener Akteur*innen virtuell geographische Grenzen hervorgebracht werden. Hierfür werden mittels einer Ko-Operationsanalyse terrain-modellierende Grenzpraktiken, deren nutzungsspezifische mediale Interaktionsformen sowie die Implementierung als Closed-Loop-Sensing untersucht. Das Projekt erlaubt damit die Reflexion der medialen Bedingungen und Handlungsmöglichkeiten einer agrarspezifischen Praxis, die medienhistorische Entwicklungen konsolidiert und gleichsam nachhaltig auf zukünftige Entwicklungen im Bereich Landwirtschaft und Viehzucht wirkt. Um das damit verwobene medienwissenschaftliche Themenfeld von Grenzobjekten und Grenzpraktiken vollumfänglich erfassen zu können, sind sowohl die medientheoretische Reflexion, die empirisch-qualitative Forschung im Feld als auch die historisch-praxeologische Aufarbeitung seiner Entwicklung notwendig. Diese haben zum Ziel, aktuelle Medien- und Datenpraktiken des sensorbasierten digitalen Zaunbaus als emergente Weiterentwicklung voriger analoger Techniken der Terrainmodellierung sowie von Medien- und Grenzpraktiken der Einzäunung begreifbar zu machen. Hierfür werden die als wesentlich identifizierten Charakteristika des Virtual Fencing einer historischen Analyse unterzogen, die ebenso die agrikulturellen, praxeologischen und soziotechnischen Implikationen mobiler Einzäunungen berücksichtigt.

Um die Praxis mobiler Einzäunung in ihrer geographischen und sozio-technischen Bedingtheit medienwissenschaftlich zu reflektieren, werden ausgewählte Virtual Fencing-Systeme empirisch untersucht. Die Analyse umfasst die unterschiedlichen, auch sozio-ökonomischen Entstehungs- und Nutzungskontexte aktueller Anwendungen und zeigt auf, welche spezifischen Technologien und situativen Praktiken mit diesen jeweils verbunden sind. Zudem werden die Praktiken des Umzäunens, die Medientechniken des Sensing sowie die Soziotechniken landwirtschaftlicher Automatisierung untersucht, um die historischen Entwicklungslinien des Virtual Fencing kenntlich zu machen. Durch die grundständig medientheoretisch und -praxelogisch angelegten Zugänge können auch verworfene Konzepte, Spannungen und gescheiterte Entwürfe kooperativer Sensing-Praktiken in die Analyse einbezogen werden, um zu zeigen, wie Grenzobjekte bereits in der Vor- bzw. Frühphase von Technikentwicklungen als solche konturiert bzw. verworfen werden.

 

Medienwissenschaftliche, praxeologische und soziotechnische Analyse der „Boundary Infrastructure“ des Precision Livestock Farming, bestehend aus elektro­nischen Tierhalsbändern, GPS-, LoraWAN- und Cloud Infrastrukturen sowie mobilen kartograph­ischen Medienapplikationen.

These: Die Differenz von physischer Geographie, Humangeographie und Vitalgeographie löst sich durch Virtual Fencing auf.

Vor dem Hintergrund der aktuellen gesellschaftspolitischen und ökologischer Herausforderungen im Agrarsektor untersucht P04 am Beispiel des digitalen Hütens:

  • wie durch ko-operative Medienpraktiken heterogener Akteur*innen geographische Grenzen hervorgebracht werden.
  • wie sich Praktiken des Einzäunens vom Stacheldraht über den Elektrozaun bis zum Virtual Fencing historisch entwickelt und konsollidiert haben.
Prinzip von Virtual Fencing mit der App eShepherd (© am.gallagher.com)
Prinzip von Virtual Fencing mit der App eShepherd
(© am.gallagher.com)

Das Projekt zielt auf eine Verschränkung von historischer Praxeo­logie und empirischer Analyse rezenter Sensordatenpraktiken an Fallbeispielen der Modellierung von Grenzen.

Methodologische Orientierung an der Weiterentwicklung der ANT und Grenzobjekt-Analyse.

Die Gegenwarts- und historischen Analysen erfordern einen Methodenmix.

Methodenmix aus:

  • Ko-Operationsanalyse
  • Feldforschung und teilnehmender Beobachtung
  • Affordanz- und Interface-Analyse
  • Bildwissenschaftliche Analysen
  • Medienarchäologie des Closed-Loop-Sensing
  • Archivrecherche, Oral History, Reenactment landwirtschaft-licher Automatisierung
Temporary Wire Fence (© Fences, Gates and Bridges 1887)
Temporary Wire Fence
(© Fences, Gates and Bridges 1887)

Mit dem Finger Tiere hüten (© Nofence AS: Innføring i Nofenceappen)
Mit dem Finger Tiere hüten
(© Nofence AS: Innføring i Nofenceappen)

 

AP1 analysiert aktuelle Sensordatenpraktiken im Precision Farming anhand der drei Schwerpunkte Infrastrukturierung und Intervention; Interface und Interaktion; sowie Sensing Ökologien.

AP2 untersucht die Geschichte der Praktiken des Einzäunens unter Berücksichtigung der Heterogenität historischer Kulturtechniken. Dazu werden historische Trajektorien einer gemeinsam geteilten Medien-, Technik- und Agrargeschichte verfolgt.

Damit wird AP2 die Geschichte der Landtechnik als soziotechnische ko-operative Entwicklung der fortschreitenden Automatisierung, Miniaturisierung, Präzi­sierung und Smartness (inkl. Ihrer Gegenbewegungen) nachverfolgen.

Auf Basis der in AP1 analysierten und in AP2 rekonstruierten Verschränkung von physischen, virtuellen und vitalen Geogra­phien werden in AP3 die Kooperationen und Grenzziehungen zwischen bio- und geodiversen Akteuren analytisch neu bestimmt.

 

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