A07 - Industrie der Personendaten

 

Das Projekt leistet einen Beitrag zu kritischen empirischen Untersuchungen sowie zur rechtlichen Bewertung der intransparenten, komplexen und sich dynamisch entwickelnden Praktiken der Wahrnehmung und Sinnstiftung in der digitalen Werbung.

 


 

Zusammenfassung

Digitale Werbung gilt als zentrales Geschäftsmodell des Internets. Sie beruht auf dem expansiven Sensing von und algorithmischen Sense-Making über Nutzer*innen durch Social Media-Plattformen, Suchmaschinen und Smart Devices. Aus Verhaltens- und Sensordaten werden Wünsche und Interessen ebenso wie Persönlichkeitsmerkmale von Nutzer*innen abgeleitet, die im Programmatic Advertising für die softwaregestützte, automatische Ausspielung personalisierter Werbung eingesetzt werden. Zugleich werden die Praktiken des Tracking und Targeting zum Gegenstand öffentlicher Kontroversen und politischer Regulierungsbemühungen. Online-Werbung beruht auf einem komplexen Ökosystem von Marketingtechnologien und Akteur*innen, die das Teilprojekt als Industrie der Personendaten untersuchen wird. Hinter Bezeichnungen wie Customer Data Platforms (CDP), Data Management Platforms (DMP) und Consent Management Platforms/Providers (CMP) verbergen sich zentrale Intermediäre der fortschreitenden Erfassung, Akkumulation, Integration, Auswertung und Operationalisierung von Personendaten. Die Konturen der Industrie der Personendaten sind jedoch unscharf und die Rolle der Datenintermediäre wurde noch nicht hinreichend aus einer medien- oder rechtswissenschaftlichen Perspektive erforscht. Angesichts der Intransparenz und Komplexität der Industrie der Personendaten gilt es zu fragen, welche Akteur*innen mit welchen Geschäftsmodellen involviert sind, wie welche Daten gesammelt, geteilt und gehandelt werden und wie diese Praktiken juristisch zu bewerten sind.

Hier setzt das Projekt an, das an der Schnittstelle von Medien- und Rechtswissenschaft situiert ist und das komplexe Netzwerk des Personendatenhandels mit besonderem Blick auf die Rolle von Sensordaten erforscht. Verfolgt werden zwei Kernziele: Erstens macht sich das Projekt zur Aufgabe, innovative Methoden zu entwickeln, um die Erhebung und Zirkulation von Daten in der Industrie der Personendaten zu rekonstruieren und analysieren. Hierbei werden methodische Ansätze der Digital Methods sowie Critical Code und Software Studies mit juristischen Instrumentarien verknüpft, wie zum Beispiel dem systematischen Einbezug von Auskunftsansprüchen nach Art. 15 DSGVO oder Informationen über Marketingparameter nach Art. 26 DSA. Zweitens wird das Spannungsverhältnis zwischen personalisierten Werbeansprachen, den dahinterliegenden Netzwerken des Personendatenhandels und dem existierenden Datenschutzrecht sowie der angestrebten Entwicklung einer europäischen Datenwirtschaft sondiert. So verneinen die DSGVO und der gesamte Ansatz des europäischen Daten-/Privatheitsschutzes zwar den industrialisierten Handel von Personendaten, enthalten aber Schlupflöcher für weitreichende wirtschaftliche Nutzungen. Zugleich führt die stete Kritik an der DSGVO schon zu ihrer Einhegung durch die Rechtsprechung.

Im Zentrum des Projekts stehen die Netzwerke und Praktiken des Programmatic Advertising. Untersucht wird, welche Zentren der Kalkulation und Zirkulation sich identifizieren lassen und wie die beteiligten Akteur*innen die Grenzen zwischen identifizierbaren Personendaten und anonymisierten Zielgruppendaten praktisch aushandeln. Hieran anknüpfend wird aus einer rechtswissenschaftlichen Perspektive gefragt, wie weit die zu erforschenden Netzwerke und Praktiken mit dem Datenschutzrecht vereinbar, bzw. wie ‚dehnbar‘ die DSGVO und die ePrivacy-Regulierung sind. Rechtspolitisch stellt sich außerdem die Frage, welche Konsequenzen hieraus für eine künftige Regulierung abgeleitet werden können, zu der Gesetze einer entstehenden europäischen Datenwirtschaft gehören bzw. gehören werden, wie etwa der Data Act, der Data Governance Act, die KI-VO (Entwurf) und der Digital Services Act.

 

A07 explores how the boundaries between identifiable personal data and anonymized target group data are negotiated in digital advertising practices and evaluates their compatibility with data protection law.

Situated at the intersection of media studies and law, it investigates practices of tracking and targeting by data intermediaries that serve as infrastructural backbone of the digital advertising industry.

Focusing on the domain of programmatic advertising, A07 explores the tensions between personalized advertising, data protection law, and the goal of EU to establish a data economy. The project pursues two main objectives:

  1. Development of methods for analysis and monitoring of the industries of personal data
  2. Legal evaluation of the empirical findings
Marketing Technology Landscape (Detail) (© Brinker (2020): Marketing Technology Landscape Supergraphic)
Marketing Technology Landscape (Detail)
(© Brinker (2020): Marketing Technology Landscape Supergraphic)

Differenct Actors in Online Advertising (© Becker (2021): Consent Management Platforms und Targeted Advertising zwischen DSGVO und ePrivacy-Gesetzgebung)
Differenct Actors in Online Advertising
(© Becker (2021): Consent Management Platforms und Targeted Advertising zwischen DSGVO und ePrivacy-Gesetzgebung)

The interdisciplinary project develops inventive methods for empirical observation and critical analysis of the personal data industries through the combination of

  • Digital methods, critical code and software studies with
  • Legal instruments, such as the systematic inclusion of information requests according to Art. 15 GDPR or information about marketing parameters according to Art. 26 DSA

WP1 coordinates the interdisciplinary collaboration and synthesizes the empirical with the legal findings:

  • Recontstructing distributed media and data practices in programmatic advertising
  • Collaborative analysis and iterative refinement of the joint research approach
  • Building a network of relevant stakeholders in online advertising and data protection

WP2 pursues two complementary case studies for mapping the  industries of personal data:

  • Large scale information requests (Art. 15 GDPR) to reconstruct how users are constituted and categorized as data subjects by DMPs, CMPs, CDPs, data brokers, and others
  • Analysis of OpenRTB protocol and the TCF standard to reconstruct data flows in programmatic advertising

WP3 focuses on the legal evaluation of the empirical findings on the personal data industries. Central institutes of data protection law are questioned and further developed:

  • Personal data in EU data protection and the European data economy
  • Identity and Identifiability
  • Problems of consent
  • Liability and allocation of responsibility

 

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