„Das Projekt leistet einen Beitrag zu kritischen empirischen Untersuchungen sowie zur rechtlichen Bewertung der intransparenten, komplexen und sich dynamisch entwickelnden Praktiken der Wahrnehmung und Sinnstiftung in der digitalen Werbung.“
News
“How Fact-Checkers are Becoming Machine Learners: A Case of Meta’s Third Party Programme”
Yarden Skop (University of Siegen) and Anna Schjøtt Hansen (University of Amsterdam, The Netherlands)
Der Beitrag unseres SFB 1187 Mitglieds Yarden Skop wird als bester studentischer Beitrag auf der diesjährigen Association of Internet Researchers Konferenz ausgezeichnet. Der Artikel wird im Tagungsband der Konferenz veröffentlicht und am 30. Oktober 2024 online verfügbar sein..
A recent development in the field of fact-checking is what some scholars call the “debunking turn” in which fact-checking organisations move from fact-checking expressions of politicians and public figures to checking claims made on social media. A main driver of this change is the proliferation of a paid program initiated by Meta, where fact-checkers check and label claims on the platform in exchange for monetary remuneration. This paper draws on interviews with and fieldwork amongst fact-checkers who are or have been part of the Meta partnership. Based on the empirical insights we argue that the human-machine assemblage in fact-checking is (1) enabling a move beyond the ‘debunking turn’ by turning journalists into ‘machine learners’ and (2) cements a ‘politics of demarcation’ in which public contestation over public facts is diminished and moved into networked infrastructures.
With this argument, the paper highlights an additional aspect of the platformisation of journalism, as the labelling and claim-checking work of journalists now also enables large tech platforms to expand technical infrastructures that commodify journalistic work by turning it into training data aimed at improving their ML systems and algorithms. This enables platforms to move further beyond their current market role, as they also participate in the further industrialisation and standardisation of fact-checking. As large tech companies become industry leaders in the provision of ML systems, for example, for fact-checking, the need to understand what politics they produce equally increases, as they become integral in the production of democratic ideals of citizens and public debate.
Yarden Skop ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin und promoviert in Medienwissenschaft am internationalen Sonderforschungsbereich „Medien der Kooperation“ (gefördert durch die DFG, Deutsche Forschungsgemeinschaft) an der Universität Siegen. Sie ist Mitglied im Teilprojekt A07: Industrie der Personendaten. Für ihre Dissertation führt sie kritische qualitative Forschung über die Entwicklung und den Einsatz von ML- und KI-Tools für die Identifizierung von toxischer Sprache und Faktenkontrolle aus der Perspektive von Plattformstudien und Inhaltsmoderationsstudien durch. Ihre Artikel wurden in akademischen Fachzeitschriften wie Big Data and Society, Media Culture and Society und First Monday veröffentlicht. Sie hat einen MA in New Media Digital Culture von der Universität Amsterdam.
Die Association of Internet Researchers ist eine akademische Vereinigung, die sich der Förderung des disziplinübergreifenden Bereichs der Internetforschung widmet. Sie ist ein mitgliederbasiertes Unterstützungsnetzwerk, das kritische und wissenschaftliche Internetforschung unabhängig von traditionellen Disziplinen und über akademische Grenzen hinweg fördert. Die Vereinigung ist international ausgerichtet.
SFB 1187 Medien der Kooperation für weitere 4 Jahre gefördert
Wir freuen uns, den offiziellen Start der 3. Phase unseres Sonderforschungsbereichs Medien der Kooperation bekannt zu geben. Wir heißen alle Mitglieder herzlich willkommen!
Ein besonderer Willkommensgruß geht an unsere neuen Projekte und Mitglieder! Wir freuen uns sehr, folgende Projekte und Teilprojektleiter*innen dazu gewonnen zu haben:
Wir freuen uns auf die kommenden vier Jahre, die gemeinsame Forschung, intensive Feldarbeit, kollaborative Methodenentwicklung, interdisziplinärer Zusammenarbeit und abschließenden Publikationen. In den kommenden Jahren werden wir erneut unsere Agenda vorantreiben, um die Beziehung zwischen Sensing und Sensemaking, die kooperative Verfertigung sensorischer Medien zu erforschen und unsere eigene Auffassung einer sensorischen Praxeologie zu entwickeln. Dabei können wir auf acht Jahre Erfahrung kooperative Forschungsleistungen zurückgreifen.
Wie die DFG in ihrem Bewilligungsschreiben schreibt:
„Die dritte Förderperiode verspricht dabei eine reiche Erntephase und sie markiert zugleich Aufbruch und Perspektiven für weitere Forschung über den Sonderforschungsbereich hinaus.“
Zusammenfassung
Digitale Werbung gilt als zentrales Geschäftsmodell des Internets. Sie beruht auf dem expansiven Sensing von und algorithmischen Sense-Makingüber Nutzer*innen durch Social Media-Plattformen, Suchmaschinen und Smart Devices. Aus Verhaltens- und Sensordaten werden Wünsche und Interessen ebenso wie Persönlichkeitsmerkmale von Nutzer*innen abgeleitet, die im Programmatic Advertising für die softwaregestützte, automatische Ausspielung personalisierter Werbung eingesetzt werden. Zugleich werden die Praktiken des Tracking und Targeting zum Gegenstand öffentlicher Kontroversen und politischer Regulierungsbemühungen. Online-Werbung beruht auf einem komplexen Ökosystem von Marketingtechnologien und Akteur*innen, die das Teilprojekt als Industrie der Personendaten untersuchen wird. Hinter Bezeichnungen wie Customer Data Platforms (CDP), Data Management Platforms (DMP) und Consent Management Platforms/Providers (CMP) verbergen sich zentrale Intermediäre der fortschreitenden Erfassung, Akkumulation, Integration, Auswertung und Operationalisierung von Personendaten. Die Konturen der Industrie der Personendaten sind jedoch unscharf und die Rolle der Datenintermediäre wurde noch nicht hinreichend aus einer medien- oder rechtswissenschaftlichen Perspektive erforscht. Angesichts der Intransparenz und Komplexität der Industrie der Personendaten gilt es zu fragen, welche Akteur*innen mit welchen Geschäftsmodellen involviert sind, wie welche Daten gesammelt, geteilt und gehandelt werden und wie diese Praktiken juristisch zu bewerten sind.
Hier setzt das Projekt an, das an der Schnittstelle von Medien- und Rechtswissenschaft situiert ist und das komplexe Netzwerk des Personendatenhandels mit besonderem Blick auf die Rolle von Sensordaten erforscht. Verfolgt werden zwei Kernziele: Erstens macht sich das Projekt zur Aufgabe, innovative Methoden zu entwickeln, um die Erhebung und Zirkulation von Daten in der Industrie der Personendaten zu rekonstruieren und analysieren. Hierbei werden methodische Ansätze der Digital Methods sowie Critical Code und Software Studies mit juristischen Instrumentarien verknüpft, wie zum Beispiel dem systematischen Einbezug von Auskunftsansprüchen nach Art. 15 DSGVO oder Informationen über Marketingparameter nach Art. 26 DSA. Zweitens wird das Spannungsverhältnis zwischen personalisierten Werbeansprachen, den dahinterliegenden Netzwerken des Personendatenhandels und dem existierenden Datenschutzrecht sowie der angestrebten Entwicklung einer europäischen Datenwirtschaft sondiert. So verneinen die DSGVO und der gesamte Ansatz des europäischen Daten-/Privatheitsschutzes zwar den industrialisierten Handel von Personendaten, enthalten aber Schlupflöcher für weitreichende wirtschaftliche Nutzungen. Zugleich führt die stete Kritik an der DSGVO schon zu ihrer Einhegung durch die Rechtsprechung.
Im Zentrum des Projekts stehen die Netzwerke und Praktiken des Programmatic Advertising. Untersucht wird, welche Zentren der Kalkulation und Zirkulation sich identifizieren lassen und wie die beteiligten Akteur*innen die Grenzen zwischen identifizierbaren Personendaten und anonymisierten Zielgruppendaten praktisch aushandeln. Hieran anknüpfend wird aus einer rechtswissenschaftlichen Perspektive gefragt, wie weit die zu erforschenden Netzwerke und Praktiken mit dem Datenschutzrecht vereinbar, bzw. wie ‚dehnbar‘ die DSGVO und die ePrivacy-Regulierung sind. Rechtspolitisch stellt sich außerdem die Frage, welche Konsequenzen hieraus für eine künftige Regulierung abgeleitet werden können, zu der Gesetze einer entstehenden europäischen Datenwirtschaft gehören bzw. gehören werden, wie etwa der Data Act, der Data Governance Act, die KI-VO (Entwurf) und der Digital Services Act.
A07 untersucht, wie die Grenzen zwischen identifizierbaren personenbezogenen Daten und anonymisierten Zielgruppendaten in digitalen Werbepraktiken ausgehandelt werden und bewertet deren Vereinbarkeit mit dem Datenschutzrecht.
An der Schnittstelle von Medienwissenschaft und Recht situiert, untersucht es Praktiken des Trackings und Targetings durch Datenintermediäre, die als infrastrukturelles Rückgrat der digitalen Werbeindustrie dienen.
A07 konzentriert sich auf den Bereich der programmatischen Werbung und erforscht das Spannungsfeld zwischen personalisierter Werbung, Datenschutzrecht und dem Ziel der EU, eine Datenwirtschaft zu etablieren. Das Projekt verfolgt zwei Hauptziele:
Entwicklung von Methoden zur Analyse und Überwachung der Industrien von personenbezogenen Daten
Das interdisziplinäre Projekt entwickelt Methoden zur empirischen Beobachtung und kritischen Analyse der Industrie der Personendaten durch die Verbindung von
Ansätzen der Digital Methods, Critical code und Software Studies mit
Juristischen Methoden, wie die systematische Einbeziehung von Auskunftsansprüchen nach Art. 15 DSGVO oder Informationen über Marketingparameter gemäß Art. 26 DSA
AP1 koordiniert die interdisziplinäre Zusammenarbeit und die Synthese der empirischen und juristischen Forschungsergebnisse:
Erarbeitung der Medien- und Datenpraktiken im Bereich des Programmatic Advertising
Kollaborative Analyse und iterative Weiterentwicklung des gemeinsamen Forschungsansatzes
Aufbau von Netzwerken mit relevanten Akteur*innen und Expert*innen im Bereich der Online-Werbung und des Datenschutzes
AP2 widmet sich zwei komplementären Fallstudien zur Kartierung der Industrie der Personendaten:
Erprobung von Auskunftsansprüchen nach Art. 15 DSGVO als Forschungsmethode zur Untersuchung wie Nutzer*innen von Datenintermediären (DMPs, CMPs, CDPs, Data Brokern u.a.) als Datensubjekte konstituiert, verrechnet, kategorisiert und adressiert werden
Analyse des OpenRTB-Protokolls und des TCF-Standards zur Rekonstruktion des Datenflusses in der programmatischen Werbung
AP3 fokussiert die juristische Bewertung der in AP2 erarbeiteten empirischen Forschungsergebnisse über die Industrie der Personendaten. Zentrale datenschutzrechtliche Einrichtungen werden hinterfragt und weiterentwickelt:
Personenbezogene Daten im EU-Datenschutz und in der europäischen Datenwirtschaft
Identität und Identifizierbarkeit
Probleme der Einwilligung
Haftung und Zuweisung von Verantwortung
Publikationen
Aktuell
2025
Burkhardt, Marcus, Carsten Ochs, und Tatjana Seitz, Hrsg. 2025. „Frictions: Conflicts, Controversies and Design Alternatives in Digital Valuation“. Digital Culture & Society 9 (2/2023). ISBN: 978-3-8376-6358-7.
2024
Becker, Maximilian. 2024. „Menschenfremde Immaterialgüter – Eine humanistische Legitimierung von IP-Rechten“. In Freiheitskonflikte im Immaterialgüterrecht, von Legner / Goldhammer, 59–84. Mohr Siebeck Verlag. ISBN: 978-3-16-163690-5.
Becker, Maximilian. 2024. „Datenwirtschaft unter der DSGVO – Eine nicht getroffene Entscheidung am Beispiel von KI-VO und Data Act“. In Festschrift für Andreas Wiebe, 225-38. ISBN: 978-3-7560-2300-4.
Becker, Maximilian. 2024. „Generative KI und Deepfakes in der KI-VO – Für eine Positivkennzeichnung authentischer Inhalte“. Computer und Recht 40 (6): 353-66. https://doi.org/10.9785/cr-2024-400604.