Forschungsprogramm

Wissenschaftliches Profil des Sonderforschungsbereichs

Der SFB 1187 „Medien der Kooperation“ untersucht die Entstehung, Gestaltung und Nutzung digitaler, datenintensiver Medien und versteht diese als kooperativ erarbeitete Kooperationsbedingungen. Sein Forschungsprogramm hat den Anspruch, digitale Grundlagenforschung zu leisten, indem es Praktiken, die durch Medien entstehen, genauso wie Medien, die durch Praktiken entstehen, in den Mittelpunkt rückt und symmetrisch betrachtet. Damit wirkt der SFB seit seiner Einrichtung 2016 an einer praxeologischen Neuausrichtung der digitalen Medienforschung mit, die zwischen Geschichte und Gegenwart vermittelt und dafür historiographische, ethnographische und gestaltende Perspektiven zusammenführt.

In der ersten Förderphase trug der praxeologische Forschungsansatz des SFB zum Perspektivwechsel von ‚Einzelmedien‘ hin zu Praktiken und Medien des Infrastrukturierens und Veröffentlichens bei und untersuchte Kooperation mit und ohne Konsens. In der zweiten Phase wurden Daten als Teil digital-medialer Kooperation in den Blick genommen und der Fokus auf Medienpraktiken um die Erforschung von Datenpraktiken ergänzt. Durch sein kooperatives Datenverständnis, welches Daten im praktischen Vollzug und als Teil von Praktikenbündeln analysiert, entwickelte der SFB praxeologische Interventionen zu Debatten um Datafizierung und Big Data und trug maßgeblich zur Entwicklung einer digitalen Praxeologie bei.

Im Kontext ubiquitärer Verdatung durch Sensortechnologien und semi-autonom operierender künstlicher Intelligenz (KI) wird der Fokus auf Daten und Datenpraktiken auf neue Weise virulent. Sensormedien erheben im Smart Home Daten über Alltagspraktiken, vermessen als Wearables Vitaldaten oder erfassen Umgebungen und strukturieren Interaktion beim autonomen Fahren. In agentiellen Sensormedien sinken Entscheidungen zunehmend in die computerisierte Infrastruktur ab. Zugleich entstehen kritische Öffentlichkeiten, in denen Sensormedien, ihre beständige und dauerhafte Verdatung und Einbindung in semi-autonome Systeme gleichermaßen zum Mittel als auch zum Gegenstand von Kontroversen werden. Im öffentlichen Diskurs werden Sensormedien und KI als Bedrohung der Datensouveränität und der menschlichen Agency gerahmt. Dem setzt der SFB seinen Fokus auf Wechselseitigkeit entgegen: Sensormedien und KI verschränken Körper und Daten, Medien und Umgebungen, menschliche- und nicht-menschliche Akteur*innen wechselseitig, aber nicht symmetrisch miteinander. Vor diesem Hintergrund fragt der SFB in der dritten Förderphase wie Sensormedien menschliche und technische Sensorien verflechten und unsere Lebens- und Arbeitswelten verändern.

Der Fokus auf Sensorik und ihre (Semi‑)Autonomie stellt neue Herausforderungen an die Methodenentwicklung. Seit der ersten Förderphase trägt der SFB zur Weiterentwicklung und Reflexion der methodologischen Ansätze interdisziplinärer Medienforschung bei, die ethnographische, historiographische, digitale und gestaltende Methoden zusammenbringen. Leitend ist dabei das Konzept der Inventive Methods, das die kreative Zusammenführung und erfinderische Anpassung von Methoden an die Untersuchungsgegenstände erfordert und in der dritten Phase um sensorische Methoden erweitert wird. Dabei soll im Rahmen eines neu entwickelten kooperativen Ansatzes der Öffentlichkeitsarbeit gemeinsam mit relevanten Public Interest Groups geforscht und gestaltet werden.

Das Forschungsprogramm wird in erweiterter interdisziplinärer Zusammenarbeit von Medienwissenschaft, Soziologie, (Sozio‑)Informatik, Ethnologie, Ubiquitous Computing, Linguistik, Erziehungswissenschaft, Science and Technology Studies, Rechtswissenschaft und Workplace Studies sowie einem umfassenden, erprobten Netzwerk an internationalen Kooperationspartner*innen realisiert. Auf diese Weise ist der SFB als bewegliches Forschungsprogramm in der Lage, die Rolle ubiquitärer Verdatung und autonomer Verrechnung im Kontext von Sensormedien in seinen sozialen und technischen Dimensionen zu verorten, zu reflektieren und zu gestalten.

 

Ergebnisse und Fortschritte der bisherigen Förderphasen

Der SFB 1187 „Medien der Kooperation“ widmet sich der Entstehung und Verbreitung digitaler, datenintensiver Medien und untersucht diese als kooperativ erarbeitete Kooperationsformen. Er hat ein empirisches, interdisziplinäres Programm der Medienforschung entwickelt, das Medien im Vollzug untersucht und die verschiedenen Dimensionen von Kooperation analysiert (Schüttpelz/Gießmann 2015): Praktiken, Infrastrukturen und Öffentlichkeiten. Die Betrachtung von Medien als kooperativ erarbeitete Kooperationsbedingungen symmetrisiert zwei grundlegende Perspektiven der Medienforschung: die Frage nach der (historischen) Entwicklung von Medien einerseits und die Betrachtung ihrer gesellschaftlichen und kulturellen Implikationen andererseits. Medien werden kooperativ hervorgebracht und bedingen dabei zugleich soziale Praktiken, die auf einer elementaren Ebene kooperativ verfasst sind. Der SFB versteht Kooperation in diesem Sinne als wechselseitige Verfertigung und Bereitstellung gemeinsamer Mittel, Ziele und Abläufe, die menschliche und nicht-menschliche Akteur*innen involviert, symmetrisch und asymmetrisch verlaufen und sowohl mit als auch ohne Konsens gelingen kann (Eisenmann et al. 2023a; Pipek/Wulf 2009).

Kernannahme des SFB ist, dass sich die wechselseitige Verfertigung in Praktiken zeigt (Schüttpelz 2017). Praktiken bilden somit den Ausgangspunkt der empirisch ausgerichteten Forschung des SFB und sind Medien, ihren Daten, Infrastrukturen und Öffentlichkeiten vorgelagert. Ihre Untersuchung erfordert die systematische Verschränkung von Medien- und Sozialforschung, da es weder Medien ohne Interaktion noch Interaktion ohne Medien gibt. Materiell-technische und soziale Dimensionen von Medien werden nicht isoliert, sondern in ihrer Verschränkung und Wechselseitigkeit betrachtet. Deswegen stellt der SFB die kooperative Herstellung, Nutzung und Aufrechterhaltung von Infrastrukturen und Öffentlichkeiten heraus und verbindet dafür historische, ethnographische und gestaltende Zugänge. Sein interdisziplinärer praxeologischer Ansatz strahlt weit in alle beteiligten Disziplinen hinein und hat in den letzten zwei Förderphasen eine praxistheoretische Revision der Medienforschung angestoßen (Schüttpelz et al. 2021). Angelegt als bewegliches Forschungsprogramm leistet der SFB eine kritische Grundlagenforschung, die sich im Kontext stets wandelnder Medientechnologien konstant weiterentwickelt.

In der ersten Förderphase konzentrierte sich der SFB auf die Verschränkung öffentlicher und infrastruktureller Medien und ihrer Praktiken. Im Dialog mit der Infrastrukturforschung und den Science and Technology Studies haben die Arbeiten des SFB spezifiziert, wie die Infrastrukturen digitaler, datenintensiver Medien in eine oftmals trügerische Unsichtbarkeit absinken (Gießmann et al. 2023), in der sich Kooperation ohne Konsens vollzieht und vor deren Hintergrund gestaffelte Öffentlichkeiten entstehen (Zillinger 2017). Infrastrukturen und Öffentlichkeiten haben sich als medial über verschiedene Ebenen und Größenordnungen hinweg miteinander verschränkt herausgestellt und befördern damit die Skalierbarkeit der Kooperation, die sich von Mikro-Situationen bis hin zu Vollzugswirklichkeiten auf planetarischem Maßstab erstreckt. Mediale Kooperation wurde in spezifischen Situationen untersucht sowie zu kritischen-theoretischen Befunden zur Kooperation, globalen medialen Infrastrukturen und heterogenen Öffentlichkeiten verdichtet. Zu den Erkenntnissen der ersten Förderphase gehörte die Diagnose, dass ein Gros an beobachtbarer und gestaltbarer Kooperation ohne oder nur mit partiellem Konsens verläuft und dass digitale, verteilte Medien zahlreiche Grenzobjekte, Grenzinfrastrukturen und Grenzpraktiken ausbilden (Star 2017). Ein Verständnis für nicht-konsensuelle Kooperationsformen mit ihren Antagonismen, Vermeidungen, Brüchen, Abbrüchen und Zumutungen bildet die Grundlage einer kritisch-politischen Medienforschung, die nach den Gestaltungsmöglichkeiten und der öffentlichen Aushandlung von Kooperationsmöglichkeiten fragt und im Kontext datenintensiver, sensorisch aufgerüsteter und zunehmend autonom operierender Medien weiterhin virulent ist.

Ausgangspunkt der zweiten Förderphase war der Befund, dass Daten eine konstitutive Rolle in der kooperativen Verfasstheit von digitalen Medien einnehmen und selbst als kooperativ erarbeitete Kooperationsbedingungen verstanden werden müssen (Eisenmann et al. 2023a; Gießmann et al. 2023; Schüttpelz 2023) – Medien erheben Daten über Nutzer*innen, Umgebungen und Kooperationspraktiken, personalisieren entlang von Daten, nutzen Daten für maschinelles Lernen, entscheiden semi-autonom und datenbasiert oder sortieren entlang von Daten. Der SFB richtete den Fokus daher auf die kooperative Verfasstheit datenintensiver Medien und die Rolle von Daten als Ergebnis und Grundlage von Kooperation (Burkhardt et al. 2022) mit dem Ziel, eine digitale Praxeologie zu entwickeln. Entsprechend konzeptualisierte der SFB in der zweiten Förderphase keine Theorie der Digitalität, die ihren Ausgangspunkt allein in den Technologien nimmt, sondern konzentrierte sich auf Medien- und Datenpraktiken, die digitale Systeme in ihren infrastrukturellen Affordanzen und öffentlichen Kontroversen wechselseitig verfertigen (Thielmann/Sormani 2023). Mit dem Fokus auf Datenpraktiken wurde untersucht, wie Daten bestehende Praktiken verändern (z. B. in der datenbasierten Medizin, Navigation oder Bewertung), aber auch wie Daten neue Praktiken formen (z. B. Open Source Intelligence, Datenaktivismus u. a.). Nicht zuletzt die Covid-19-Pandemie hat gezeigt, dass Datenpraktiken sowohl gesellschaftlich wirkmächtig als auch fragil und kontrovers sind und fortlaufend verfertigt werden müssen, um Grundlage gesundheitspolitischer Maßnahmen sein zu können (Isin/Ruppert 2020). Eine Situation, die sich auch angesichts multipler Krisensituationen von Krieg, Versorgungs- bis Klimakrise fortsetzt und zu der sich die im SFB erarbeitete digitale Praxeologie sowohl in der Verschränkung von Medien- und Sozialtheorie als auch methodologisch und gestaltend kritisch positioniert.

Die Verflechtung mikrologischer, verflechtungshistorischer und gestaltungsorientierter Perspektiven hat sich auch in der zweiten Förderphase in hohem Maß als produktiv erwiesen, um rezente Entwicklungen in den Bereichen datenintensiver Kooperation zu adressieren und eine digitale Praxeologie zu entwickeln. Die ethnographisch und ethnomethodologisch orientierten Teilprojekte konzentrierten sich auf Medien- und Datenpraktiken, die nicht nur für die betrachteten Untersuchungsfelder relevant sind, sondern auch zu den besonders bedeutungstragenden Praktiken digitaler Kulturen und Gesellschaften zählen. Hierzu gehören die Praktiken des Versorgens in Medizin und Pflege (A05, A06), die Praktiken des Entscheidens in der Wegfindung und beim autonomen Fahren (A03), aber auch die Praktiken des Lernens (B05, P01), des Überlieferns (A01, A02, B04, P01, P02, P03), des Testens (A03, B08, P03), des Bewertens (A04, B06), des Delegierens (A03, B06, B08) sowie des Sprechens und des Dialogs (B06, P01, P02). In verschiedenen Einzelpublikationen (u. a. Hind 2022; Hector et al. 2023; Eisenmann et al. 2023a) wurde das Spektrum der kooperativ verfertigten digitalen Praktiken analytisch erfasst und beschrieben.

Die historischen Beiträge aus der zweiten Förderphase haben die Schwerpunkte auf die Infrastruktur- und Sozialgeschichte der Medien aus der ersten Förderphase vertieft, praxeologisch fundiert und auf die Geschichte von Datenpraktiken refokussiert. Dazu wurden in der reflexiven Verschränkung von historischer Praxeologie (unter Rückgriff auf das Harold Garfinkel-Archiv) und digitaler Medienforschung die kooperativen Bedingungen von Datenpraktiken – d. h. den situierten und prozeduralen Umgang mit Kontingenzen in der Koproduktion von technologischen Medien und verkörperten Praktiken – in drei Feldern spezifiziert: (1) es wurde eine neue, historisch-materielle Theorie von Digitalität erarbeitet (Haigh/Ceruzzi 2021), die Computing von der praktischen, wechselseitigen Verfertigung von Soziotechniken des digitalen Lesens, Schreibens und (algorithmischen) Kontrollierens her denkt und Sensing als Praktik des digitalen Lesens und Übersetzens von Umweltdaten in berechenbare Entitäten konturiert. Ergänzend wurde die Sozial- und Praxisgeschichte des Webs am Genfer Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire (CERN) als mediale Kooperationsgeschichte historisiert. Dabei konnte auch die Rolle der vorhergehenden Datenpraktiken und Sensoren der physikalischen Experimente gezeigt werden. (2) Unter Bezugnahme auf Charles Goodwins Theorieentwurf von „Co-operative Action“ (2017) konnten geographische Sedimente und „environmental laminations“ in der Entstehung von Praktiken der Luftaufklärung durch die ko-operativen kumulativen Effekte des Zusammenwirkens von Luftfotographie, Satellitenaufnahmen und Drohnenbildern nachgewiesen werden (Bender/Burkhardt 2023; Bender/Kanderske 2022). Die Entstehung von Geomedien lässt sich daher aufgrund der jeweiligen Spezifik ihres „environmental sensing“ (Thielmann 2022b) konturieren. (3) Auf Grundlage des Harold Garfinkel-Archivs wurden seine frühen Arbeiten zum Zatocoding als Vorläufer von Kodierungs- und Klassifizierungspraktiken der Digital Humanities untersucht (Thielmann 2022a). Entlang von Garfinkels Forschungen im Bereich Human-Computer-Interaction (HCI) mit ELIZA wurden aktuelle Anwendungen und Kontroversen von Machine Learning (ML) einer kritischen Respezifizierung unterzogen (siehe u. a. Eisenmann et al. 2023b; Sormani 2020). Diese produktive Verschaltung historischer und digitaler Praxeologie bleibt ein Leitmotiv der dritten Förderphase.

Die Kombination von Medienforschung und Sozio-Informatik bildet ein zentrales Alleinstellungsmerkmal des Verbundes und verdeutlicht, wie der Fokus auf Praktiken und ihren Communities für die Gestaltung digitaler Medien produktiv gemacht werden kann. Zu den Impulsen gehören die Weiterentwicklung der Methoden des Co-Designs (Müller/Struczek 2022), der symmetrischen Theorie­ent­wick­lung zwischen Informatik und Soziologie (Schubert/Kolb 2021) sowie der Einsatz von MediaSpaces als Ermöglichungsinfrastrukturen (Weibert et al. 2021). Die im SFB-Programm integrierte Gestaltungsaufgabe richtete sich zugleich auf Infrastrukturen, Archive und Tools für forschende Datenpraktiken in den Digital Humanities (Sahle/Schmidt 2023), digitale Methoden (u. a. van der Vlist et al. 2022) und die wissenschaftliche Arbeit mit Daten (Mosconi et al. 2022). Sozio-Informatische Forschung basiert in ihrem Kern auf qualitativen und ethnographischen Methoden, das heißt auf teilnehmender Beobachtung vor Ort, Participatory Design Workshops, Interviews und gemeinsamen Designaktivitäten. Über die Gestaltung technischer Artefakte hinaus rückte die sozio-technische Intervention als erweiterte Gestaltungsmethode in den Vordergrund (Weibert et al. 2021; Wulf et al. 2021) und verschränkt die Herstellung von Infrastrukturen und ihren Öffentlichkeiten. Eine Herausforderung stellt die Arbeit mit Personen dar, die Teil marginalisierter, benachteiligter oder oppositioneller Bevölkerungsgruppen sind. Hierfür wurden das Konzept und die Designpraktik der „Careful Interventions“ (Krüger 2023) entwickelt und mit lokalen Partner*innen gearbeitet. Zudem prägten dekoloniale Ansätze die sozio-informatische und anthropologische Wissensproduktion sowie die ethnographische Zusammenarbeit. Die kooperative Gestaltungsforschung re-evaluierte kontinuierlich das Verhältnis zwischen Forschenden und den Communities of Practice, die an verschiedenen Stellen am Forschungsprozess partizipieren, sich einschreiben und somit zunehmend Ko-Forschende werden (Cerna et al. 2022) – eine Perspektive, die mit der Wiedereinrichtung des Ö-Projekts für den gesamten SFB relevant wird.

Quer durch die ethnographischen, gestaltenden und historiographischen Projekte konturierte der SFB ein praxeologisches, qualitatives Datenverständnis: Demnach sind Daten immer ‚Daten für etwas‘ oder ‚für jemanden‘ und nicht nur in ihrer Vielheit zu verstehen, sondern eingebettet in vielfältige heterogene, aber stets partikulare Praktiken der Erfassung, Erzeugung, Berechnung, Filterung, Sortierung, Zuschreibung, Auswertung, Nutzung, Inklusion und Exklusion (Burkhardt et al. 2022). Sie sind nicht auf quantitative Daten zu reduzieren, sondern umfassen ebenso qualitative, visuelle, auditive, bewegte und sensorische Daten sowie deskriptive und operative Metadaten (Mosconi et al. 2022). Daten sind einerseits kooperativ verfasst, andererseits Grundlage weiterer Kooperation (van der Vlist/Helmond 2021). Aus den Befunden resultiert eine Neuverortung der Informations- und Medientheorie, die es ermöglicht: (a) alle Daten und Medien in der empirischen Untersuchung zunächst unterschiedslos zu behandeln, da sich ihre Differenzierungen und Bewertungen nur im praktischen Vollzug zeigen (Rawls 2008; Rawls/Mann 2015; Ploder/Thielmann 2021); sowie (b) indexikalische Kontextabhängigkeit von Daten (als Dokument für) in den Blick zu nehmen (Eisenmann/Rawls 2023). Hier stellen synthetische, KI-basierte Daten die Frage der indexikalischen Bezüge jedoch erneut zur Disposition (Steinhoff 2022). Ins Zentrum rücken somit (c) jene Hintergrundpraktiken, die als selbstverständlich gelten und im Vollzug nicht reflektiert werden, jedoch Kontextualisierungen in situ erst ermöglichen und zugleich selbst Teil des Kontextes sind, den sie hervorbringen und stabilisieren (siehe u. a. Button et al. 2022).

Mit seinem Fokus auf Datenpraktiken trägt der SFB in der zweiten Förderphase zu einer Re-Perspektivierung kritischer öffentlicher und wissenschaftlicher Diskussionen zu Datafizierung (van Dijck 2014) bei, indem er die bisher oft unabhängig voneinander artikulierte Kritik an den materiell-technischen Prozessen der Verdatung und ihren globalen Daten­infra­strukturen einerseits (Iliadis/Russo 2016) und der Analyse der Communities of Practice von Datafizierung (Mörtenböck/Mooshammer 2020) andererseits zusammenführt. Wie Daten erhoben, genutzt und bewertet werden ist weder allein eine Frage ihrer Infrastrukturen oder Technizität, noch allein eine Frage der involvierten Akteur*innen, sondern ergibt sich aus ihrem Zu­sammenspiel und der praktischen Nutzung von Daten. Aktuelle Entwicklungen im Bereich künst­licher Intelligenz zeigen, dass es die spezifische De- und Rekombination von Daten im Lernprozess ist, durch die Daten ihre Brisanz entfalten, nicht allein die individuelle Erhebung. Die Anschlussfähigkeit des kooperativen Datenbegriffs sowie des Konzepts der Datenpraktiken zeigt sich in zahlreichen internationalen Publikationen zu Data Practices (Ruppert/Scheel 2021) und den situierten Zugängen zu Daten, die u. a. unter Mitwirkung des SFB entstanden sind (Rettberg 2020; van Es/Verhoeff 2023; Burkhardt et al. 2022; Habscheid et al. 2021). Sie sind Teil einer programmatischen Ausrichtung der Medienforschung, um Gesellschaften, die sich zunehmend als Datengesellschaften formieren, zu verstehen und zu gestalten. Die Forschungen des SFB bieten neue Perspektiven auf die Notwendigkeit einer „Data Literacy“ (Burkhardt et al. 2021; Gray et al. 2018), die den praktischen Vollzug, die Infrastrukturen und Öffentlichkeiten von kooperativen Daten mitdenkt und ihre ‚Lebendigkeit‘ und Veränderbarkeit beschreib- und gestaltbar macht (Chao et al. 2023). Der SFB leistete in der zweiten Förderphase daher einen zentralen Beitrag, um die gesellschaftlichen Implikationen datenintensiver, semi-autonomer Medien zu verstehen, indem er – wie in den nächsten Abschnitten vertieft wird – (I.) die Verschränkung von infrastrukturellen und öffentlichen Medien im Kontext von Datenpraktiken neu bewertet, (II.) die ihnen zugrunde liegenden Medien und Praktiken als digitale Praxeologie freilegt und (III.) Methoden der Medienforschung als Inventive Methodologies weiterentwickelt.

 

1. Datenpraktiken zwischen Infrastrukturen und Öffentlichkeiten

Der SFB hat gezeigt, dass digitale Infrastrukturen und digitale Öffentlichkeiten nicht ohne kooperatives Medien-und Datenverständnis zu ergründen sind und durch Datenpraktiken auf spezifische Art und Weise miteinander verschränkt werden. In der Erforschung der gemeinsamen Skalierung medialer Öffentlichkeiten und technischer Infrastrukturen geht es nicht nur um ihre Reichweite und Vernetzungsdichte, sondern zugleich um die Rekonfiguration sozialer, ökonomischer, politischer, militärischer und ideologischer Machtorganisationen, die an den Nahtstellen von Infrastrukturen und Öffentlichkeiten ausgestaltet und verhandelt werden. Für die Beobachtung dieser Nahtstellen konnte der SFB auf praxistheoretische Zuspitzungen der Infrastruktur- und Öffentlichkeitsforschung aufbauen, die im Folgenden anhand ausgewählter Praktiken spezifiziert werden.

In besonderem Maß zeigte sich die Neuverschränkung im Kontext der Corona-Pandemie, die mit dem Beginn der zweiten Förderphase zusammenfiel und sich nicht nur in die Organisation und Praxis der Forschung (siehe Punkt III.) einschrieb, sondern offenlegte, wie relevant die Erforschung datenbasierter Kooperation und kooperativ verfertigter Daten war und ist. Die fortlaufende Herstellung und öffentliche Aushandlung zentraler Kennzahlen wie R-Werte, 7-Tage-Inzidenzen oder Covid-19-Todesfälle zwischen beteiligten Öffentlichkeiten und Infrastrukturen des Testens, Erfassens und Auswertens verdeutlichte: Pandemie-Daten entstehen in der situativen Nutzung von Test-Infrastrukturen, basieren auf den interpretativen Praktiken heterogener Öffentlichkeiten (Politik, Wissenschaft, Zivilgesellschaft) und verbleiben dennoch fragil und kontrovers (Isin/Ruppert 2020). Zugleich rekonfigurierte sich die Praktik des Veröffentlichens, des making public, wissenschaftlicher Daten und neue, teils kritische und politische Datenöffentlichkeiten entstanden (Marres/Stark 2020). Alltags- und Datenpraktiken haben sich wechselseitig im kooperativen Versuch des „flatten the curve“ (Duck/Rawls 2020) durchdrungen und brachten eine Vielzahl temporärer und fragiler Infrastrukturen wie Covid-19-Tracking Apps (Dieter et al. 2021) oder Testzentren hervor (Marres et al. 2023), die der SFB empirisch erfasste und konzeptualisierte. Quer durch die Teilprojekte wurden diese Herausforderungen durch Bottom-Up-Initiativen und Kooperationen forschend begleitet und in die Arbeit der Projekte integriert. Die ubiquitären Daten- und Testpraktiken der Pandemie führten jedoch nicht wie befürchtet in eine Kontrollgesellschaft, sondern verblieben brüchig, unvollständig und vor allem non-accountable: Daten wurden nicht ausreichend aggregiert, aggregierte Daten waren nicht ausreichend für Kontaktverfolgungen nutzbar, gesundheitspolitische Maßnahmen wurden nur lose an Evidenzen und Nachprüfbarkeit gekoppelt. Die Corona-Pandemie kann als Parade­beispiel Garfinkels „Good organisational reasons for bad clinical records“ (Garfinkel/Bittner 1967) verstanden werden: Individuelle und institutionelle Aktenführung und Verdatung dienten weniger der maximalen Erfassung pandemischer Entwicklungen oder gar einem „flatten the curve“, sondern der Reduktion der eigenen Accountability und Haftbarkeit, allen Phantasmen einer Überwachungs- oder Kontrollgesellschaft entgegen.

Trotz ihrer brüchigen Datenpraktiken führte die Pandemie zu einem Digitalisierungsschub. Bestehende mediale Infrastrukturen und Praktiken wurden neu bewertet, allen voran Technologien der kontaktlosen Interaktion wie die Videotelefonie (Volmar et al. 2023), Infrastrukturen des Identifizierens und Registrierens, sowie digitale Bezahlmedien (Gießmann 2022). Aus praxeologischer Perspektive erhielten die „Vertrauensbedingungen“ sozialer Interaktion, die Garfinkel als sozial orientiert und sequenziell konstituiert auswies, neue Relevanz (Duck/Rawls 2020; Eisenmann/Meyer 2020). Der Digitalisierungsschub eröffnete zudem die Frage, wie vulnerable oder ältere Menschen mit den Medien- und Datenpraktiken der Pandemie umgehen (Cerna et al. 2021) und führten zu videobasierten und ethnographischen Untersuchungen, wie diese in Alltagsinteraktionen die Pandemie als „natürliche Krisensituation“ verhandelten (Mondada et al. 2020; Amelang et al. 2020) oder sie problematisierten (Meier zu Verl et al. 2021; Guckelberger et al. 2021). Mit einem internationalen Call for Diaries richtete der SFB den Blick auf die wechselseitige Verfertigung der infrastrukturellen und öffentlichen Transformationsprozesse in situ und in vivo. Über 100 Autor*innen aus 25 Ländern sendeten ethnographische Beobachtungen ein, die im „Curare Corona Diaries Projekt“ auf den Boasblogs (boasblog.org) fortlaufend veröffentlicht und in zwei Sonderheften weiter reflektiert wurden (Amelang et al. 2020, 2021). Gerade jene Verschränkung von Daten- und Alltagspraktiken konnte in ihrer tagespolitischen Relevanz, alltäglichen Transformation sowie in z. T. überaus kontroversen Diskursen und Medienöffentlichkeiten reflektiert werden (Eisenmann et al. 2021; Schüttpelz 2021a). Die Ergebnisse wurden projektübergreifend auf der Jahrestagung „Pandemic Cooperation“ (2020) sowie einem Panel auf der Konferenz der Gesellschaft für Medienwissenschaften zur Diskussion gestellt. Wie kein anderes Ereignis der letzten Jahre verdeutlichte die Corona-Pandemie die Notwendigkeit einer digitalen Grundlagenforschung, die die situative sozio-technische Entstehung von Daten nachvollzieht, Raum schafft die Kontroversität von Daten zu reflektieren und einen Beitrag zur Entwicklung von Data Literacies leistet (Burkhardt et al. 2021).

Wie im Antrag zur zweiten Förderphase diagnostiziert, zeigte sich in der Pandemie, dass gesellschaftspolitische und wissenschaftliche Debatten zur Digitalisierung mit einer Neuordnung des Lernens einhergehen. Der SFB entfaltete in der Ringvorlesung „Learning (in) Digital Media“ (2021) sowie der Jahrestagung „Re-Situating Learning“ (2021) eine praxeologische Perspektive auf digitales Lernen, die den Ansatz situierten Lernens (Lave/Wenger 1991) historisch aufarbeitete. Dazu zählt auch die diagnostizierte Relevanz von Körperpraktiken, Berührung und Sensorik im Erlernen digitaler Praktiken der remote interaction im Kontext intimer Öffentlichkeiten der Familie beim Zeigen, Halten und Erlernen digitaler Medien (Mohn et al. 2023) sowie in professionellen Kontexten der Zusammenarbeit auf Distanz (Volmar et al. 2023). Auf welche Weise hier das menschliche Sensorium Teil der kooperativen Verfertigung von digitalen Medien wird und selbst kooperativ hervorgebracht wird, markiert Desiderate, die auch in jüngeren Forschungsarbeiten programmatisch angezeigt werden (Salter 2022) und denen sich der SFB in der dritten Förderphase zuwendet.

Die Auseinandersetzung mit situiertem Lernen wurde zudem für lernende Medien fruchtbar gemacht. Der SFB nutzte den Fokus auf die Situiertheit des Lernens, um Diskurse algorithmischen und maschinellen Lernens auf Basis von Daten neu auszurichten und die Delegation von Lern- und Entscheidungspraktiken an Infrastrukturen kritisch zu untersuchen (Crawford 2021; Halpern/Mitchell 2022): Den Narrativen autonomer Technologien, die rezente öffentliche Debatten um KI und maschinelles Lernen durchziehen, wurde die Analyse semi-autonomer Gefüge entgegengestellt, deren Handlungsträgerschaft zunehmend autonom, lernend und kontextsensibel ist, jedoch nicht komplett losgelöst von menschlichen Akteur*innen verläuft, sondern diese immer wieder mit einbindet (Knorr Cetina 2020; Hind et al. 2022; Bender/Burkhardt 2023). Der SFB verschränkte hier die Analyse ihrer infrastrukturellen Grundlagen am Beispiel von Drohnen, ChatBots, Softwarerepositorien und generativer Modelle des maschinellen Lernens (Burkhardt 2020; Hind 2022; Förster 2023) mit der zunehmenden öffentlichen Kontroversität und Issuefication lernender Medien (Marres/Sormani 2023). Zur Betrachtung wie semi-autonome Technologien in unterschiedlichen Praxiskontexten experimentell erprobt und praktisch eingehegt werden, wurde das Konzept der Domestizierung fruchtbar gemacht und einer Aktualisierung unterzogen (Hector et al. 2023). Die motilen Qualitäten sich semi-autonom bewegender Medien führten zur Ausdifferenzierung der Theorie mobiler Medien sowie der mit diesen verbundenen Medienpraktiken (Kanderske 2023; Bender/Kanderske 2022; Thielmann 2022a). Eine besondere Herausforderung stellen Fragen der Bias und der Sensibilität hinsichtlich Diversität von künstlicher Intelligenz dar, die im emergenten Feld feministischer Datenkritik (D’Ignazio/Klein 2020; Chun/Barnett 2021) artikuliert werden. Im Rahmen des SFB wurden Diversität und Diskriminierung von KI in zahlreichen Ringvorlesungen und Workshops (siehe Gastvorträge u. a. von Carolin Sinders und Beth Semel) aufgegriffen und sollen im Rahmen der dritten Förderphase mit Blick auf die Kontroversität (semi-)autonomer Medien weiterentwickelt werden. Denn Medien, vor allem semi-autonome Medien, haben sich nicht nur als Austragungsort von Kontroversen herausgestellt, sondern werden im Kontext heterogener Öffentlichkeiten zunehmend selbst kontrovers. Im Jahr 2023 wurde dies am Beispiel generativer öffentlicher KI-Modelle wie ChatGPT oder Midjourney besonders virulent: Ihre infrastrukturellen Grundlagen entziehen sich einer öffentlichen Auseinandersetzung, zugleich trägt KI durch Personalisierung zu einer Fragmentierung der Öffentlichkeit bei (Aal et al. 2022). KI eröffnet die Frage, ob ihre Issues überhaupt öffentlich ausgetragen werden können und inwiefern Sichtweisen diverser Anspruchsgruppen in der Aushandlung Gehör finden. Wie diese Kontroversität empirisch beforscht, aber auch gestaltet werden kann, eröffnet eines der Forschungsdesiderate der dritten Förderphase.

Kontroversität ist verschränkt mit Praktiken des Testens (Potthast 2017), die nicht nur im Zuge der Corona-Pandemie an Relevanz gewonnen haben, sondern verdeutlichen, dass die Entwicklung von Medien sich permanent vollzieht und dabei Nutzung und Testung verschränkt. Tests bilden ein zentrales Grundprinzip der Gestaltung digitaler Medien, sie prägten die Idee des Perpetual Beta des frühen Web 2.0, entfalten ihre sozio-technischen Implikationen heute in verbreiteten Praktiken des A/B-Testing durch bzw. auf digitalen Plattformen und sind charakteristisch für agile Entwicklungspraktiken (Stark 2020). Die Forschungen des SFB zeigen: Digitale Medien sind nicht darauf ausgerichtet, abgeschlossen zu werden, sondern werden permanent entlang zunehmend entgrenzter Tests weiterentwickelt, ob als öffentliche Demonstration autonomen Fahrens, als Tests generativer Sprachmodelle, in der Entwicklung neuer Apps (Dieter et al. 2021) oder dem häuslichen Testen neuer Technologien (Hector et al. 2023). Im Test zeigt sich das Zusammenwirken infrastruktureller und öffentlicher Medien hinsichtlich ihrer zunehmend datenintensiven Ko-Produktion – und das sowohl historisch als auch in der Gegenwart. Dies beinhaltet Praktiken des öffentlichen Testens in und mit heterogenen Datenöffentlichkeiten. Tests finden nicht mehr nur im Labor unter kontrollierten Bedingungen statt, sondern durchdringen sämtliche Lebens- und Arbeitswelten (Marres/Stark 2020). Diese wiederum werden für ein permanentes Testen infrastrukturell ausgerichtet – ob im Fall von Covid-Testzentren in temporären städtischen Infrastrukturen oder der dauerhaften sensormedialen Einrichtung von Smart Cities für autonomes Fahren. Der SFB widmete sich den Infrastrukturen und Öffentlichkeiten des Testens in der Ringvorlesung „Infrastructures of Testing“ und mit der Jahrestagung „Testing in the Wild“ (2022). Sie verlangen nach einer kritischen Betrachtung der am Testen involvierten asymmetrischen Gemengelage von Akteur*innen und den Möglichkeiten, testende Datenpraktiken mitzugestalten oder die Bedingungen permanenten Testens öffentlich zu verhandeln. Eine Weiterentwicklung einer Medientheorie des Testens bringen den Antragsteller*innen Sebastian Gießmann und Carolin Gerlitz im Herbst 2023 als Special Issue zum Thema „Test“ in der Zeitschrift für Medienwissenschaften heraus.

Praktiken des Testens überkreuzen sich dabei oft mit Bewertungspraktiken. Daten bilden eine zentrale Grundlage von Bewertungen, da ihre materiell-infrastrukturelle Stabilität es ihnen ermöglicht, aus ihren Entstehungskontexten gelöst zu werden und in heterogene Bewertungs- und Valorisierungskontexte einzutreten (Gerlitz 2016). Als zentral für diese De- und Re-Kontextualisierung von Daten haben sich digitale Plattformen herausgestellt, die Medien- und Datenpraktiken durch vorstrukturierte Handlungsoptionen – oder mit Philip Agre gesprochen Grammatiken (1994) – hervorbringen, um sie zugleich zu erfassen, zu kapitalisieren oder zu kolonialisieren (Couldry/Mejias 2019) und damit ihre heterogenen Anspruchsgruppen zu regulieren (Keating/Cambrosio 2003; van der Vlist et al. 2022). In der zweiten Förderphase spezifizierte der SFB seine Perspektive auf Plattformen und dezentrierte sie zunehmend als zentrale Organisationsform (van der Vlist 2022): Im konkreten Vollzug digitaler Praktiken wirken heterogene digitale und materielle Plattformen zusammen (Hind et al. 2022) und verketten damit Daten und ihre Bewertung in kooperativer, aber nicht immer konsensueller Weise (Rieder/Skop 2021). Damit erweiterte der SFB den Plattformdiskurs vom primären Fokus auf die fünf größten Plattform­unternehmen (GAFAM/GAMAM) hin zu den Rändern, der materiellen Ausweitung von Plattformlogiken sowie der zentralen Rolle von Intermediären.

Schlussendlich wurden durch Russlands Krieg gegen die Ukraine Medien- und Datenpraktiken des Überlieferns, Archivierens und der Investigation in neuer Weise virulent. Der SFB diskutierte zentrale Datenpraktiken der Archivierung, investigativer und forensischer Analyse, Open Source Intelligence (OSINT), künstlerische Daten-Interventionen, die Rolle von Plattformen im Krieg sowie Desinformationspraktiken mit involvierten Akteur*innen und Wissenschaftler*innen im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Memory under Fire“ (2022) und vertiefte die Diskussion in einem Special Feature der Zeitschrift Sociologica (Bareikyte/Skop 2022). Medien- und Datenpraktiken des Krieges stehen vor besonderen gesellschaftlichen Herausforderungen, da über sie Kriegsgeschehen öffentlich verhandelt, analysiert und accountable gemacht wird, während ihre materiellen Grundlagen und Infrastrukturen permanent einer möglichen Zerstörung ausgesetzt sind. Mobile und sensorbasierte Medien eröffnen neue Daten und Interpretationspraktiken, die heterogene Öffentlichkeiten bis hin zu Citizen Science involvieren (Fuller/Weizman 2021). Sie gehen einher mit neuen Ästhetiken der Dokumentation und Propaganda, u. a. getrieben von Plattformen wie Tiktok (Bareikyte/Skop 2022). Diese sensorischen Datenpraktiken zu untersuchen eröffnet neue konzeptionelle und methodische Herausforderungen, die der SFB in der dritten Förderphase adressiert.

Durch die empirische Analyse digitaler Praktiken hat sich daher herausgestellt, dass eine symmetrische und wechselseitige Betrachtung infrastruktureller und öffentlicher Medien nicht ausreicht, um die gegenwärtige Entwicklung digitaler Medien analytisch fassen zu können. Digitale Medien entpuppen sich immer häufiger – u. a. aufgrund der ihnen inhärenten Modi der Registrierung, Identifizierung und Nachverfolgbarkeit (Gießmann 2022; Agre 1994) – als primär infrastrukturelle und infrastrukturierende Medien. Zugleich stehen öffentliche Medien und disperse Massenkommunikation in der Kritik und zur Disposition, auch weil die Trennung von Face-to-Face- und Telekommunikation, von menschlicher und nicht-menschlicher Interaktion in der Digitalmoderne nicht länger aufrechterhalten werden kann (Reckwitz 2021). Wie sich in der zweiten Förderphase herausgestellt hat, sind digitale Medien immer mehr sensorisch verfasst, situativ und umweltlich eingebunden, per se semi-automatisiert, semi-autonom und semi-abhängig von menschlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten (Schüttpelz 2023). Deshalb steht in der dritten SFB-Förderphase die wechselseitige Konstitution infrastruktureller, öffentlicher und sensorischer Medien im Zentrum der Forschungsaktivitäten.

 

2. Medien- und sozialtheoretische Implikationen einer digitalen Praxeologie

Die praxeologische Perspektivierung von Medien erhebt den Anspruch, einen zentralen Beitrag zur digitalen Grundlagen- und Gegenwartsforschung zu leisten. Dabei entzieht sich das Digitale aufgrund der Vielgestaltigkeit digitaler Medien und ihrer dynamischen Entwicklung einer eindeutigen Spezifik. Digitale Medien gibt es nur im Plural und dieser Pluralität hat der SFB in der zweiten Phase durch die Entwicklung einer digitalen Praxeologie Rechnung getragen. Aufbauend auf einer Analyse zentraler Praktiken der Datengesellschaft, wie sie schlaglichtartig bereits vorgestellt wurde, hat der SFB ein umfassendes Konzept zur Analyse digitaler Praktiken entwickelt und Elemente einer Praxistheorie der Medien vorgelegt.

Wenn man Medien als Bündel von Praktiken versteht (Schatzki 2016; Schüttpelz 2021a), kann für die Medientheorie in Anlehnung an Marshall McLuhan der Grundsatz gelten, „the medium practice is the message, including the fact that the contents of a medium practice are other media practices“ (Schüttpelz 2023, 37). Erst die erfolgreiche Verbreitung digitaler Medien hat eine Praxistheorie der Medien virulent werden lassen (Schäfer 2021) und für die Medien- und Sozialforschung zu der Notwendigkeit geführt, zu den ethnomethodologischen Grundlagen praxeologischer Sozial- und Technikforschung zurückzukehren (Heath/Luff 2022).

In der Werkstatt Medienpraxistheorie wurde u. a. mit Hilmar Schäfer (2021) herausgearbeitet, dass die Praxistheorie übersituative Persistenzen sozialen Handelns beschreibt und dabei das handelnde Subjekt dezentriert, weshalb auch nicht-menschliche Akteure wie Algorithmen, semi-autonome Medien, künstliche Intelligenzen oder Smart Devices Eingang in eine digitale Praxeologie finden. Digitale Praktiken sind für Schäfer dadurch gekennzeichnet, dass sie (1) ko-konstitutiv in der Nutzung digitaler Infrastrukturen entstehen (u. a. Müller et. al 2023), (2) nur in digitalen Umgebungen entstehen und durch diese begrenzt werden (z. B. das Liken oder Retweeten als Praxis, Paßmann/Schubert 2021) und dass (3) eine Praxis zum Gegenstand der Digitalisierung wird (bspw. das Klassifizieren und Bewerten). Die empirische Arbeit der Teilprojekte zeigte, dass das Verständnis dessen, was digitale Infrastrukturen ausmacht – Schäfer definiert diese als Interfaces, Apps, Dateninfrastrukturen und Hardware (2021, 12) – im Kontext ausgreifender Datafizierung und sensorischer Aufrüstung von Medien weiterentwickelt werden muss (Hind et al. 2022) und eine Re-Evaluierung der Materialität und Umweltlichkeit von digitalen Praktiken verlangt.

In Auseinandersetzung mit dem ethnomethodologischen Praxeologie-Verständnis hingegen können Praktiken als ‚digital‘ verstanden werden, die (1) die Grundlage dafür schaffen, dass Daten erzeugt werden und zur Verfügung stehen, um digitale Prozesse zu ermöglichen, und (2) dass menschliche Praktiken an digitale Systeme delegiert oder in der Weise transformiert werden, dass digitale Medien diese Praktiken selbständig durchführen (Thielmann/Sormani 2023). Für eine übergreifende Medienpraxistheorie reichen solche systematischen Unterscheidungen eines digitalen Praxisverständnisses allein allerdings nicht aus.

Eine digitale Praxeologie, so die Erkenntnis der zweiten Förderphase, ist daher aufgefordert, die gemeinsame Ausgangslage der Medien- und Sozialtheorie einer Neubewertung zu unterziehen (Schüttpelz 2023). Hierzu hat die Re-Lektüre der frühen sozialtheoretischen Schriften Harold Garfinkels einen Beitrag geleistet, die unter dem Einfluss der Entwicklung von Digitalrechnern (Thielmann 2016), der Ausbreitung der Datenverarbeitung (Thielmann/Sormani 2023) und der Human-Computer-Interaction (Eisenmann et al. 2023b) standen – zu einer Zeit als man „co-presence“ noch als Grundlage für die Reziprozität der Face-to-Face-Kommunikation im gemeinsam geteilten physischen Raum verstand (Goffman 1966; Campos-Castillo/Hitlin 2013).

In der Folge hat der SFB das in der Medienforschung weit verbreitete Diktum der Auflösung von ‚physischer Präsenz‘ durch ‚virtuelle Ko-Präsenz‘ in Frage gestellt, indem die Herstellung von Praktiken in das Zentrum der wissenschaftlichen Analysen gerückt wurde. Die drei Projekte des P-Bereichs haben in der reflexiven Verschränkung von historischer Praxeologie (unter Rückgriff auf das Harold Garfinkel-Archiv) und digitaler Medienforschung die kooperativen Bedingungen von Datenpraktiken – d. h. den situierten und prozeduralen Umgang mit Kontingenzen in der Koproduktion technologischer Medien und verkörperter Praktiken spezifiziert. Das praxeologische Begriffsverständnis rekurriert dabei auf die Konzeption Garfinkels: „Praxeology seeks to formulate statements of method, and to extend their generality, seeking as wide a domain of applicability as possible.“ (1956, 191) Insofern hat es sich als Ziel einer digitalen Praxeologie erwiesen, die praktische Reflexivität der digitalen Medien und ihrer Methoden offenzulegen (Ploder/Thielmann 2021). So zeigt Schüttpelz (2019), dass Methoden Praktiken einer theoretischen Fragestellung sind (siehe auch 1.2.2.1.2).

Sowohl für den SFB als auch für die internationale praxeologische Forschung hat die Wiederentdeckung der Schriften Harold Garfinkels eine zentrale Rolle gespielt und sich in umfangreichen Publikationen niedergeschlagen (Lynch 2022; Maynard/Heritage 2022). Die von Garfinkel durchgeführte Analyse von Datenpraktiken im Zusammenhang mit technischen Verfahren des Information Retrieval hat eine Reihe grundlegender Praktiken identifiziert, die generell für jedwede Form der Datenerzeugung und -verwendung notwendig sind. Hierzu zählt u. a. „doing ad hocing“, d. h. die fortlaufende Anpassung an indexikalische Handlungssituationen (Meier zu Verl et al. 2023).

Neben den schon aus den „Studien zur Ethnomethodologie“ (Garfinkel 1967, 2020) bekannten Basisoperationen praktischer Entscheidungsfindung (Bergmann/Meyer 2021) haben sich in Bezug auf die Spezifik von Datenpraktiken weitere Basisoperationen herauskristallisiert. So stehen die Handlungsmaxime „doing stability“, „doing finitude“ und „doing definitiveness“ für die Praxis, Daten eine eindeutig definierbare Bedeutung zuzuschreiben. Daten werden dann so behandelt, als ob Daten Kontinuität besäßen, stabil, unveränderlich und endlich seien und man mit Hilfe von Daten vollständige Informationen zu einem Sachverhalt gewinnen könnte (Thielmann 2022a). Hierbei handelt es sich dem Verständnis von Garfinkel (1969, 18) nach um „background practices“ – häufig unbeachtete Praktiken, die aber zur Herstellung der „accountability“ (Garfinkel 1967) bzw. „Zurechenbarkeit“ (Garfinkel 2020) von Daten zwingend notwendig sind. Hintergrundpraktiken tragen dazu bei, ein reibungsloses soziales Miteinander zu gewährleisten, verbleiben jedoch meist implizit und sind daher schwer als solche beobacht- und analysierbar.

Für die Medienwissenschaft hat sich gezeigt, dass für digitale Medien insbesondere die Fokussierung auf eine „Praxeology of Media Gestures“ (Strauven 2021) und körperbezogene Techniken zentral sind, weshalb diese im Zentrum der weiteren Forschung des SFB (insbesondere in den Teilprojekten A03, B05, P01, P02) stehen werden. Auch eine pragmatische Betrachtung verdeutlicht, dass gerade unter digitalen Bedingungen die Analyse und Gestaltung von Nahräumen von besonderer Bedeutung sind (Meyer/Jucker 2022). Wesentlich für eine gemeinsame medien- und sozialwissenschaftlich konturierte digitale Praxeologie ist es daher, die Dichotomie von vermeintlich nicht-mediatisierter Face-to-Face-Kommunikation und nicht-Face-to-Face-förmiger Telekommunikation zu überwinden (Schüttpelz 2023) und zugleich die empirisch-konzeptionellen Zugänge zur Transsituativität weiter zu entwickeln (Clarke et al. 2018; Marres et al. 2023). Nicht zuletzt durch den Erfolg der Geomedien und von Location-based Services (Bender/Kanderske 2022; Borbach 2022) hat sich die Differenzierung von vermittelter vs. unvermittelter Interaktion und Kommunikation als epistemologisches Hindernis in der Erforschung digitaler Medien erwiesen. Es hat sich zudem gezeigt, dass die historische und gegenwartsbezogene Praxeologie an die mediale Situiertheit wie auch an umweltliche und territoriale Bedingungen geknüpft ist (Thielmann 2022b). Diesen Fragen geht der SFB in der dritten Förderphase nach.

 

3. Entwicklung forschender Praktiken und Methodologien

Die gemeinsame Arbeit an den Methodologien digitaler Medien hat sich in den ersten beiden Förderphasen als zentrales Element einer kooperativen Forschungspraxis erwiesen. Methodendiskussionen sind in den beteiligten Disziplinen verschieden ausgeprägt und werden mit unterschiedlicher Intensität geführt. Methodenarbeit und -reflexion ist im Kontext des SFB jedoch kein Selbstzweck, sondern in Wechselwirkung zwischen Forschungsfokus und Gegenständen zu verstehen. Lury und Wakeford konzipieren diese als Inventive Methods und verstehen die „inventiveness“ von Methoden nicht als „Neuheit“, da viele Methoden auf eine lange Tradition zurückblicken, sondern als die Kapazität „to ‚lure‘ materials into posing their own problems“ (2012, 21), d. h. Gegenstände ihre eigenen Fragen, Probleme und Interventionen artikulieren zu lassen und in den Dialog mit den Forschungsfragen und -desideraten zu treten. Denn Inventive Methods sind nicht rein induktiv oder bottom-up, sondern als kooperative Forschungspraxis zu verstehen, die sich wechselseitig zwischen Forschenden, Feld, Praktiken und ggf. Tools und Infrastrukturen artikuliert (Marres 2020a). Jedes Teilprojekt entwickelt daher im Dialog mit seinen Forschungsfragen und Feld bzw. Phänomenen einen spezifischen methodologischen Zugang, der seinen Ausgangspunkt bei Praktiken nimmt und interdisziplinäre methodologische Ansätze kombiniert und weiterentwickelt.

Seit seiner Einrichtung positionierte sich der SFB als der Ort der Methodenentwicklung und Reflexion in der deutschen Medienforschung. In der ersten Förderphase erarbeitete der SFB einen praxeologisch-ethnographischen Zugang zu Medienpraktiken, der den Einsatz von teilnehmenden, qualitativen Methoden und den Fokus auf Mikro-Situationen für die Medienforschung weiterentwickelt hat. Dieser Zugang wirkte weit in die beteiligten Fächer und Forschungsgemeinschaften hinein (Schüttpelz et al. 2021). Ethnographische Ansätze wurden mit historiographischen Methoden, Video-Ethnographie, Ansätzen des Participatory Design und Co-Design, sozio-informatischen Interventionen und digitalen Methoden kombiniert. Zudem wurde die Methodenarbeit des SFB im 2019 gegründeten Center for Digital Methodologies in Media, Language and Technology Research in Lehre und Forschung der Universität zurückgebunden. In der zweiten Förderphase wurde das methodologische Spektrum um Methoden der Software- und Plattformanalyse, linguistische Zugänge und Methoden der AV-Analyse sowie autoethnographische Ansätze erweitert und erste Experimente mit sensorischen und ML-basierten digitalen Methoden gemacht. Eine zentrale Rolle in der Methodenentwicklung nahm hier das Integrierte Graduiertenkolleg ein (MGK), das Methodentrainings organisierte, als Raum für Methodenreflexion fungierte, aber auch Fragen rund um die Einschreibungen von Forschungstools (Ruppert et al. 2013; Burkhardt 2023) und Biases (Marres/Gerlitz 2016) adressierte. Ziel war und ist, die Lebendigkeit bzw. „Liveliness“ (Gerlitz/Rieder 2018) und kooperative Verfasstheit digitaler Medien und ihrer Daten anzuerkennen, im Forschungsprozess nachzuvollziehen und sichtbar zu machen (P03). Datenkritik betrifft also nicht nur die Datenpraktiken im Feld, sondern die eigenen Datenpraktiken der Forschung (Mosconi et al. 2022).

Die kooperative Forschungspraxis der zweiten Phase musste im Kontext der Corona-Pandemie mit ihren Kontaktbeschränkungen und Digitalisierungsschüben permanent neu ausgerichtet werden, da sie den Verbund wie oben dargestellt sowohl inhaltlich, als auch in der praktischen Organisation der kooperativen Forschung und in seinen methodologischen Zugängen geprägt hat. Auf organisatorischer Ebene war der SFB wie alle anderen Forschungsverbünde mit kurzfristig umgesetzten Kontaktbeschränkungen konfrontiert, welche sowohl die ethnographische als auch die archivbasierte Feldforschung massiv erschwerten. Während im internen Austausch schnell video-basierte Alternativen zu persönlichen Treffen auf Projekt- und SFB-Ebene eingesetzt wurden, führte das in der Forschung zu feldspezifischen Herausforderungen und Lösungen, die in den Teilprojekten dokumentiert sind. Die während der Pandemie entwickelten hybriden Arbeitsformen hat der SFB auch nach Aufhebung der Kontakt­beschränkungen fortgeführt und bietet zentrale Plenarveranstaltungen im Hybrid-Modus an, um einfacher internationale Gäste, Mitarbeitende im Homeoffice sowie auf Feldforschungs­reisen einzubinden und setzt gezielt reine Online-Formate zur Kooperation ein, um Reisekosten zu reduzieren. Dafür investiert die Universität in die Einrichtung leistungsfähiger Hybrid-Technik im zentralen Veranstaltungsraum des SFB. Darüber hinaus kamen die in INF entwickelten digitalen Infrastrukturen für die Forschung wie das Research-hub und die Data Stories als lebendes Archiv forschender Datenpraktiken zum Einsatz. Für die dritte Förderphase sollen online und hybride Arbeitsformen auch weiter unter konstanter Evaluation ihrer Effektivität zur Vernetzung und zur Reduktion der Reisetätigkeiten eingesetzt werden.

Ethnographisch und historisch arbeitende Teilprojekte waren von der Pandemie und den eingeschränkten Zugängen zum Feld und zu Archiven in besonderem Maße betroffen. Bei bestehenden Kontakten konnte der Wegfall von Face-to-Face-Interviews und teilnehmender Beobachtung teilweise durch Video-Telefonie (B04, B05), digitale Ethnographie (B08), dem Einsatz von lokalen Vermittler*innen in Communities of Practice (B04) oder neuen Methoden der Selbstdokumentation (B06, A05) kompensiert werden. Eine besondere Herausforderungen stellte jedoch die Etablierung neuer Feldkontakte oder neuer Archivzugänge dar (A01, A02), auf die mit einer Re-Fokussierung des Forschungsprogramms (A02) und zum Teil mit der Exploration neuer Born-Digital-Quellen (A01) reagiert wurde.

Für die konkrete Methodenentwicklung ergaben sich in der zweiten Förderphase eine Anzahl an Herausforderungen, die auch für den Fokus auf sensorische Kooperation in der dritten Phase zentral bleiben.

  • Datenintensive Kooperation entzieht sich durch ihre verteilten Infrastrukturen und fragmentierten Öffentlichkeiten einer einfachen Zugänglichkeit. Der SFB reagierte auf diesen Befund durch die Kombination verschiedener methodologischer Ansätze und eine Erweiterung des Methodenspektrums um digitale, sensorbasierte Methoden (A01, A03, B08, P03, MGK), Interface-, Plattform- und Software-Analysen (A03, B06, B08, MGK), sowie die Aneignung von Algorithmen oder ML-Infrastrukturen für den Forschungsprozess (B08, P03). Dadurch konnte er den Bereich der digitalen Forschungsmethoden für die Analyse von Hintergrundkooperation (van der Vlist et al. 2022), Sensormedien (Dieter et al. 2021) und ML-basierten Methoden (Omena et al. 2021) Diese Entwicklung verschärft sich in der dritten Förderphase, sodass gezielt digital-sensorische Methoden, die Sensordaten für Forschungszwecke umnutzen, sowie ML-basierte Methoden exploriert und entwickelt werden müssen (INF).
  • Weiterhin relevant bleibt die Performativität von Forschungspraktiken, d. h. ihre Fähigkeit, Sachverhalte zu ordnen, zu klassifizieren, sichtbar zu machen oder zu neuen gesellschaftlichen Imaginationen beizutragen. Jedoch eröffneten sich neue Herausforderungen aus Sicht diversitätssensibler und feministischer Methodenkritik, die u. a. im Kontext von Feminist Data Studies (siehe u. a. D’Ignazio/Klein 2020; Chun/Barnett 2021) fragt, welche Perspektiven datenbasierte Forschung sichtbar macht und auf die oft unsichtbare Arbeit im Bereich der künstlichen Intelligenz (Data-Labelling, Content Moderation) hinweist (Rieder/Skop 2021). Auf ähnliche Weise formieren sich im Bereich des Data Activism kritische Perspektiven gegen einen Datenuniversalismus und Forderungen nach situierten, alternativen, partizipativen oder Open Source-basierten Methoden (Fuller/Weizman 2021; Marres 2020b), die ein breites Spektrum interpretativer Perspektiven befördern. Der SFB erweiterte diese Diskussionen mit seinen praxeologischen Zugängen zu Datenpraktiken heterogener Akteur*innen (Hector et al. 2023; Mosconi et al. 2022) und greift diese Fragestellungen in der dritten Förderphase durch kooperative Forschungspraktiken mit Akteur*innen aus dem Feld auf.
  • Quer durch die beteiligten Teilprojekte zeigte sich, dass datenintensive Kooperation nicht ohne ein breites Spektrum körperlich-sensorischer Praktiken zu untersuchen ist – seien es die Berührungen bei der Medienvermittlung und -nutzung, die Erfassung von Körpern in der Bewegung, von Gesten und Nahräumen (Mohn et al. 2023; Thielmann 2019). Der SFB entwickelte eine Vielzahl methodologischer Zugänge zu medialen Körperpraktiken, wie z. B. Video- und Autoethnographie, Breaching Experiments, Augmented Reality (AR)-basierte visuelle Aufzeichnungsmethoden, sensorische Ethnographie sowie die Integration von mobilen Sensordaten (Hector et al. 2022; Sormani/vom Lehn 2023). Ihre Verschränkung und systematische methodologische Reflexion entwickelt das praxeologische Methodenspektrum der Medienforschung maßgeblich weiter und bildet eine Grundlage für die Methodenentwicklung in der dritten Förderphase.

 

Forschungs- und Erkenntnisziele der dritten Phase

Wie die Forschungen der zweiten Phase gezeigt haben, stellt die zunehmende Verbreitung von Sensortechnologien ebenso wie die Ausstattung von Medien, smarten Devices und Umgebungen mit Sensoren zahlreiche Herausforderungen an die interdisziplinäre Medienforschung (Halpern/Mitchell 2022; Gabrys 2016; Salter 2022). Sensoren in Smartphones oder -watches vermessen unsere Bewegungen durch Umgebungen (A03, B09), Haushaltsgeräte werden mit Sensoren ausgerüstet zu datenintensiven Infrastrukturen im privaten Raum (B06, A07), Produktions- und Logistikprozesse basieren zunehmend auf dem Zusammenspiel von Sensordaten, Algorithmen und künstlicher Intelligenz (B08, P04) und urbane Räume werden sensorisch von Drohnen, E-Bikes oder autonomen Fahrzeugen vermessen (B08, A03, P05, P06). Sensoren und an sie gekoppelte Machine-Vision-Verfahren erkennen automatisch Personen und Orte auf Bildmaterial (P06) und organisieren Terrains und Tierbewegungen in der Landwirtschaft (P04).

Sensormedien zeichnen sich durch eine spezifische Verschränkung zwischen Sensing und Sense-Making aus. Mittels Sensoren erfassen sie die Eigenschaften ihrer Umgebung und bringen ein breites Spektrum an Sensordaten hervor, z. B. über Bewegungen, Temperaturen, Aktivitäten, Position im Raum, Lichtverhältnisse, Luftverschmutzung, Ton, Sprache und Bilder (Andrejevic/Burdon 2015). Sensorisches Erfassen – Sensing – geht dabei mit einer Dezentrierung menschlicher Subjekte und einer Rekonfiguration ihrer Sinne einher: „Sensing here is not primarily or exclusively about human modalities of sensing, but rather has to do with distributed formations and conjunctions of experience across human and nonhuman sensing subjects, in and through environments.“ (Gabrys 2016, 22f.). Die Sensoriken von Kameras, Fotodioden, GPS, LiDAR, LoRaWan oder Bluetooth rücken menschliche Körper, (Nah‑)Umgebungen und Räume, aber auch nicht-menschliche und umgebende Entitäten in das Zentrum der Vermessung, während Umgebungen zugleich selbst sensortechnisch aus- und aufgerüstet werden. Die Weiter­be­arbei­tung, De- und Re-Kontextualisierung sensorischer Daten – ihr Sense-Making – erfolgt verteilt und zunehmend autonom unter Zuhilfenahme von Algorithmen oder künstlichen Intelligenzen (Halpern/Mitchell 2022), die Sensordaten verrechnen, ordnen, klassifizieren und zur Grundlage von Entscheidungen machen.

Der Fokus auf Sensing und Sense-Making unterstreicht die infrastrukturelle Dimension von Sensormedien und stellt die verteilte Vollzugswirklichkeit zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Akteur*innen in den Mittelpunkt, in die Sensoren und Sensordaten eingebunden sind (Salter 2022). In der Art und Weise, wie menschliche Akteur*innen, physische Umgebungen und nicht-menschliche Akteure durch Sensoriken miteinander in Verbindung und permanenten wechselseitigen Austausch gebracht werden, kommt die Spezifik der Sensormedien zum Tragen (Thielmann 2019). Auf welche Weise Sensormedien unsere Gesellschaft verdaten und automatisieren, stellt eine zentrale gesellschaftspolitische Herausforderung dar (Halpern/Mitchel 2022). Dies zu erforschen und nach Möglichkeiten der Gestaltung zu fragen ist das Forschungsziel der dritten Förderphase.

In Ergänzung zu techno-politischen (z. B. Crawford 2021; Andrejevic 2020) und medienökologischen (z. B. Gabrys 2016; Scholz 2021; Sprenger 2019) Perspektiven auf Sensormedien, die den aktuellen Diskurs prägen, entwickelt der SFB einen praxeologischen Zugang zu Sensing und Sense-Making. Dieser erlaubt es, die Umgestaltung der Gesellschaft in eine Datengesellschaft auf sozialer und technischer Ebene nachzuvollziehen und im Kontext von Sensormedien eine kritische Neubetrachtung des Medienbegriffs vorzunehmen. Dazu richtet der SFB den Blick (I.) auf die infrastrukturellen Verschränkungen von Umgebungen und nicht-menschlichen Akteuren/künstlichen Intelligenzen, (II.) die Wechselverhältnisse zwischen menschlichen und technischen Sensorien sowie (III.) die zunehmende Kontroversität sensorbasierter Medien und ihre öffentliche Aushandlung. Ziel des SFB ist es, sensorische Kooperation historisch zu verorten, im praktischen Vollzug zu verstehen und kritisch zu gestalten. Die Teilprojekte der dritten Förderphase adressieren dazu ein breites Spektrum an relevanten Praxisbereichen, die durch sensorische Kooperation geprägt sind: Personendaten und ihre Industrien (A01, A07), die Geschichte der Nahtechnologien (A01), sensorische Mikronavigation (A03), Verkehrswende und ÖPNV (A04), sensorbasierte Telemedizin und Tele-Care (A05), Überwachung und Grenzpolitiken (B04), Multisensorik in der frühkindlichen Mediennutzung (B05), Smart Home Anwendungen (B06), generative Modelle maschinellen Lernens (B08), sensorische Fahrradmedienpraktiken (B09), die Multisensorik zwischen menschlichem und technischem Sensorium (P01), digitale Landwirtschaft (P04), Gestaltung von Interaktion im autonomen Straßenverkehr (P05), Praktiken des zivilen War Sensing (P06) sowie die Spezifizierung dieser Analysen in einer Medienanthropologie der Wechselwirkung (P02). Dieses Spektrum sensorischer Kooperation ermöglicht dem SFB nachzuvollziehen, wie sich Sensormedien, ihre entgrenzende Datenerfassung und autonome Datenverrechnung quer durch die Gesellschaft einschreiben und Agency bzw. Handlungssträgerschaft neu verteilen. Fokus der dritten Förderphase ist daher die kritische Reflexion und Gestaltung der sensormedialen (Re‑)Konfiguration von Infrastrukturen, Öffentlichkeiten sowie dem menschlichen Sensorium. Dies leistet einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung der digitalen Grundlagenforschung.

 

1. Sensormedien

Sensorische Medien konfrontieren uns mit einer komplexen Gemengelage der Verdatung, da sie dem technischen Imaginären eines permanenten und pervasiven Sensing folgen (Salter 2022), das sich zunehmend im Raum und in Umgebungen auflöst. Als kooperative Medien schreiben sie die Entgrenzung des Medienbegriffs fort. Im Gegensatz zum Web, Plattformen und sozialen Medien lösen Sensormedien die enge Kopplung zwischen Mediennutzung und Verdatung auf. Ihr Sensing ist nicht per se an Medienpraktiken gebunden, adressiert nicht allein Menschen sondern erfolgt infrastrukturell im Hintergrund (Thielmann 2019): Drohnen erfassen Zerstörungen im Kriegsgeschehen (P06), Smartwatches erheben im Hintergrund Vitaldaten (A05, P05), sensorische Halsbänder überwachen die Bewegung von Tieren (P04), autonom operierende Autos klassifizieren Verkehrsteilnehmer*innen (P05) und Bluetooth ermöglicht vernetztes Sensing in Nahumgebungen (A01). Ihre Datenerfassung wird – so die Imagination der Technikentwickler*innen – zunehmend skalenübergreifend bzw. rahmenlos (Andrejevic 2020; Inman/Ribes 2019). Durch die datenvermittelte Kooperation von Sensoren werden Körper, Medien und Umgebungen zueinander in Beziehung gesetzt. Der Versuch, Sensing und Sense-Making möglichst ubiquitär, naht- bzw. bruchlos und unmerklich zu gestalten, schreibt das Imaginary eines Seamless Computing fort, das seit den 1980er Jahren als Teil des Ubiquitous Computing diskutiert wird: „Specialized elements of hardware and software, connected by wires, radio waves and infrared, will be so ubiquitous that no one will notice their presence“ (Weiser 1999, 94; Sprenger/Engemann 2015). Sensorische Devices sollen möglichst dauerhaft und umfassend Daten erheben, sich an ihre Umgebungen anpassen und sogar in ihnen aufgehen.

Zugleich sind Umgebungen und ihre politischen und ökologischen Veränderungen zu weiten Teilen nur über sensorbasierte Medien- und Datenpraktiken erfahr- und wahrnehmbar (Gabrys 2016). Dürren, Fluten, Hitze- und Kältewellen sind der menschlichen Sinneserfahrung zwar direkt zugänglich, aber andere Dimensionen wie Luft- oder Wasserqualität sowie planetarische Veränderungen des Klimas oder des Meeresspiegels zeigen sich größtenteils nur mittels sensorischer Messungen. Ähnliches gilt für die politischen Dimensionen von Umwelten – Konflikte, Kriege und Geopolitiken werden medial erfasst, vermittelt und verhandelt (B04, P06). Eine praxeologische Untersuchung der kooperativen Verschränkung von Medien und Umgebungen im praktischen Vollzug jenseits generalisierender Befunde eines „becoming environmental of media“ bzw. der „Mediatisierung des Environments“ (Scholz 2021, 43) steht jedoch noch weitestgehend aus. Auf welche spezifische Weise Umgebungen und Medien sich im Kontext von Sensormedien verschränken, ist Teil des Forschungs­desi­derats der dritten Förderphase und Grundlage für eine kritisch-gesellschaftliche Auseinandersetzung über die Sensorisierung und Automatisierung unserer Umgebungen.

Denn die Verarbeitung wachsender Mengen an Sensordaten basiert zunehmend auf dem Einsatz von Machine-Learning-Verfahren zur (semi‑)autonomen Verarbeitung von Daten, Mustererkennung und computerisierter Entscheidungsfindung (Apprich et al. 2018). Künstliche Intelligenz bildet dementsprechend einen zentralen Bestandteil von Sensormedien und wird zugleich durch sie transformiert, da Sensoren KI-Anwendungen erlauben, Umgebungen und Situationen zu erfassen und zunehmend kontextsensibel zu werden (Scoble/Israel 2014), also in Wechselwirkung mit ihrer Umgebung zu agieren. Frühe STS-Studien zu KI in den 1980er und 1990er Jahren kritisierten, dass damalige vor allem symbolische KI-Anwendungen nicht in der Lage waren, Situationen und Kontexte mitzuerfassen (Suchman 1987; Agre 1997) und dass eine ökologische Perspektive auf die Intelligenz technischer Systeme fehle (Star 1989). Im Nexus mit digitalen Daten und Sensormedien ist diese Diagnose neu zu denken: KI versucht zunehmend kontextbasierte Entscheidungen zu treffen und situativ zu agieren, auch wenn dies nicht immer glückt (O’Grady 2022). Der SFB erörtert die situierte und kontextuelle Einbindung künstlicher Intelligenz in zahlreichen Feldern wie der Mikronavigation (A03), der Telemedizin und Tele-Care (A05), dem Smart Home (B06), dem Virtual Fencing (P04), dem autonomen Fahren (P05) sowie der Kreativwirtschaft (B08). Er leistet hierzu kritische Grundlagenarbeit, indem die bisher wenig rezipierten Arbeiten Philip Agres zur Kritik von KI mit Fokus auf seinen Dialog mit Garfinkel für den medien- und sozialwissenschaftlichen Diskurs aufgearbeitet (A01) und große Machine-Learning-Modelle als mediale Agenten (B08) untersucht werden.

Der praxeologische Zugang des SFB bietet beste Voraussetzungen für eine gesellschaftspolitische Kritik an KI, da dieser über den Versuch hinaus geht, KI allein materiell-technische zu erklären bzw. zu kritisieren, sondern sie in ihren vielfältigen und konkreten Verstrickungen mit Umgebungen, Praktiken, Kontroversen untersucht und davon ausgehend theoretisiert. Eine zentrale Herausforderung von Technologien künstlicher Intelligenz ist dabei, dass Praktiken des Sense-Making, der datenbasierten Klassifizierung, Ordnung, Entscheidungsfindung und Steuerung in computerisierte und opake Infrastrukturen verlagert werden und sich dadurch zunehmend einer öffentlichen Auseinandersetzung entziehen (Burrel 2016). Dem stellt der SFB die Untersuchung von Praktiken des Sense-Making entgegen (Burkhardt 2020; Hind 2022; Sormani 2020, 2023; Rieder/Skop 2021), die sich zwar in erheblichen Maß im Hintergrund opaker Infrastrukturen vollziehen, deren praxeologische Beschreibung zugleich Perspektiven für eine situierte Kritik und kritische (Um)Gestaltung eröffnet. Ziel ist es, die praxeo­logischen Zugänge zu opaken Technologien systematisch zu verschränken und zu einer Public Accountability von KI beizutragen.

In Frage steht auch die Skalierbarkeit von Sensordaten und die Skalierungsleistung von Sensormedien, die sich sowohl auf der zeitlichen als auch auf der räumlichen Ebene zeigt (Bishop 2015). Durch die umgebenden, teilweise autonomen Eigenschaften von Sensormedien verschränkt sich die Mikrotemporalität permanenter Echtzeitvermessung mit dem geo-biologischen Zeithorizont planetarischer Veränderungen im Anthropozän (Chakrabarty/Latour 2021). Auf der Mikroebene sensorischer Erfassung ebenso wie auf der Makroebene planetarischer Krisen zeigen sich nicht-menschliche Zeitregime, die sich in Other-than-Human-Taktungen vollziehen. Sensoren erfassen die Zustände ihrer Nahum­ge­bun­gen im jetzt und produzieren eine Reihung von Ist-Zuständen, die nur durch die Verrechnung der einzelnen Datenpunkte in ein Kontinuum übersetzt werden können: „a modus operandi of continuous re-itera­tions of actual states captured by sensor-media, ephemeral, imperceptible, local, and always ‚now‘ – ‚now‘ – ‚now‘ – and ‚now‘ again in order to extrapolate models of ‚before and after‘ that fuel narratives of reconstructable pasts and projections of possible futures“ (Scholz 2021, 149). Die gesteigerte Echtzeitfähigkeit sensorischer Medien eröffnet damit die Frage, wie sich die Mirkrotemporalitäten des konkreten Sensing mit Makrotemporalitäten des Planeten verschränken. So werden Räume, die von Sensoren durchdrungen sind, in anderen Sinnesmodalitäten erfahrbar und zugleich politisierbar – sie verändern die Aufteilung des Sinnlichen/Wahrnehmbaren (Rancière 2008).

Sensorische Medien sind, wie Kooperation selbst, damit ganz unterschiedlich skalierbar – ob als Nahkörpertechnologie in der Erfassung von Vitaldaten (Schmidt et al. 2018) bis zur Erhebung von Klimadaten mit planetarischer Relevanz (Gabrys 2013). Die Skalierungsleistung von Sensormedien liegt dabei sowohl auf der Ebene des Sensing wie des Sense-Making – die gleichen Daten können durch Datenpraktiken in unterschiedliche Aggregate, Bezieh­ungen, Trainingssets und damit Skalierungen übertragen werden (Apprich et al. 2018). Die Teilprojekte des SFB adressieren das gesamte Spektrum dieser Skalierungsleistung – von der Ebene des Körpers (P01), der Mikro­interaktion (B05, B06) bis hin zu verteilten Situationen von Sensordaten (A03), transnationaler Überwachung (B04) und globalen Dateninfrastrukturen (A01, A07). Ähnlich skalenübergreifend ist der Kooperationsbegriff des SFB zu verstehen (Schüttpelz 2017) – er ist anwendbar auf mikro-situative Kooperationspraktiken sowie auf die Kooperation transnationaler Infrastrukturen mit ihren Daten und Datenpraktiken. Diese Skalierungen der Kooperation stehen im Zentrum der dritten Förderphase und bilden das Thema einer abschließenden konzeptionellen Publikation zu „Scales of Cooperation“, deren Ziel die Entwicklung einer (sensorischen) Medientheorie und -kritik auf Basis praxeologischer Zugänge darstellt.

 

2. Sozio-Technik der Sensorik

Medien sind nicht nur Erweiterungen der Sinne (McLuhan 1994), sie erschaffen Sinne (Vogl 2007). Im Gegensatz zu Instrumenten tragen Medien zu einer Denaturierung der Sinne bei (ebd.) und ko-konstituieren, was Sinneswahrnehmung bedeutet. Dementsprechend trägt die Einbettung von Sensoren in Medien und Umgebungen zu einer Rekonfiguration der menschlichen Sinne bei. Diese werden, so die These, zunehmend zu einem technologischen Bestandteil, während Sensoren immer mehr als Bestandteil des menschlichen Sensoriums zu verstehen sind (Salter 2022, 86). Damit kehrt der SFB zu grundlegenden Fragen früher Medientheorie zur Erweiterung der Sinne zurück, die im interdisziplinären Dialog mit Soziologie, STS, Ethnomethodologie und Interaktionsforschung sowie der empirischen Analyse des medialen Sensing und Sense-Making weiterentwickelt werden, um eine medien- und sozialwissenschaftliche Theorie der sensorischen Kooperation zu verfassen.

Aus medien- und sozialwissenschaftlicher Perspektive lässt sich konstatieren, dass im Zuge von künstlicher Intelligenz und Automatisierung einerseits Medien sensorisch ‚aufgerüstet‘ wurden und andererseits ein erweitertes Spektrum sinnlicher Praktiken Teil des sozialwissenschaftlichen Diskurses wurde, das über den westlich geprägten Fokus auf das Visuelle hinaus geht (Gibson/von Lehn 2021; Mohn et al. 2023). In den letzten 20 Jahren hat sich eine Soziologie der Sinne (Göbel/Prinz 2015) etablieren können, welche die Bedeutung des kompletten Sinnesspektrums für situierte, verteilte und verkörperte Praktiken anerkennt. Aufbauend auf Charles Goodwins Arbeit zur „Co-operative Action“ (Goodwin 2017) und Anne Rawls et al. (2020) Untersuchung (P01) zur verteilten Wahrnehmung sehbehinderter Menschen hat Brian Due (2021) eine Praxeologie der „sensory assistance“ entwickelt, die zeigt, dass auch die Kooperation zwischen den Sinnen essentieller Teil der Medien der Kooperation ist. Diese produzieren „sensuous geographies“ (Rodaway 1994) und „sensescapes“ (Classen/Howes 2020), sind eingebettet in eine „sensory anthropology“ (Pink 2010) und „sensory ethnography” (Pink 2015; Bee 2018, 2021), welche der SFB in der dritten Phase zum Gegenstand seines Forschungsprogramms macht.

Das Zusammenspiel von Sinnen und Sensoren, ihren Daten und Interaktionsmöglichkeiten adressiert der SFB als Teil der kooperativen Verfasstheit von Sensormedien unter dem Begriff der Sensorik. Denn digitale Praktiken können zunehmend als multi-sensorisch betrachtet werden – sie involvieren verschiedene Sinne, verlaufen quer zu den Sinnen (Mondada 2021) und verschränken menschliches und mediales Sensing zu neuen sensorischen Gefügen. Es gibt nicht nur eine Wechselwirkung zwischen technischen und menschlichen Praktiken – wie diese bislang im SFB erforscht wurden. Es existiert auch eine Wechselwirkung zwischen den technischen und menschlichen Sensorien, die als Sensing Practices situativ hervorgebracht werden. In der AR-basierten Navigation mit Devices wie Google Immersion (A03) werden z. B. Umgebungsdaten, Navigationsanweisungen und Ansichten der Umgebung überlagert und führen zu einem neuen Erlebnis der Bewegung im Raum, in dem Sensordaten und menschliche Wahrnehmung kooperativ zusammenwirken. Aber auch im Kontext des (zivilen) War Sensing und Open Source Intelligence-Initiativen verschränken sich die menschliche Wahrnehmung des Krieges mit ihrer digitalen und sensorischen Dokumentation (P06). Laut Scholz verbindet ein weiterer Begriff von Sensorik Sensormedien mit einer Vorstellung von ‚sensiblen Environments‘ (2021): Das oben diskutierte sozio-technische Sensorium wird nicht nur von medialen Umgebungen mit hervorgebracht, sondern erstreckt sich auch auf selbige. Das neue Teilprojekt P04 verdeutlicht dies am Beispiel der sensorisch aufgerüsteten Landwirtschaft: Digital Fencing wird als sensorbasierte Terrain-modellierende Grenzpraktik, die Räume und Medien auf spezifische Weise verschränkt, empirisch untersucht und historisch verortet.

Sensormedien sind, so Salter, „sensing machines“ (2022), die Umgebungen transduzieren und das alltägliche Leben re-imaginieren, indem sie unsere Vorstellung von Infrastrukturen und Öffentlichkeiten neu entwerfen und begründen. Dies hat Auswirkungen auf soziale Praktiken, die im wechselseitigen Prozess des „becoming einvironmental of media“ und „becoming media of environments“ (Scholz 2021, 143) vor neuen Stabilisierungsherausforderungen stehen. Praktiken haben eine „sinnhafte Oberfläche“, die in der sozialen Interaktion sichtbar wird und „von den Praktizierenden ‚gelesen‘ und verstanden werden kann“ (Hirschauer 2016, 56), weshalb die sensortechnischen Erweiterungen auch Medien- und Datenpraktiken in ihrer Sinnlichkeit verändern. Dies wird in den veränderten multi­senso­rialen Interaktionsbedingungen im autonomen Straßenverkehr deutlich, die das neue Teilprojekt P05 auf ihre Wechselwirkungen hin untersucht und sensortechnologisch gestaltet (Sadeghian et al. 2020). Im autonomen Fahren werden Umgebungen durch ein Zusammenspiel sensorischer Erfassung und menschlicher Wahrnehmung kartiert, Sensoren lenken die Aufmerksamkeit menschlicher Verkehrsteilnehmer*innen, diese wiederum bewerten ihre Daten situativ und kontextabhängig.

Die soziologische und linguistische Interaktionsforschung betrachtet soziale Situationen als Ereignisse, die durch wechselseitige aneinander anschließende und füreinander wahrnehmbare Äußerungen zwischen den Beteiligten in kooperativem Handeln indexikalisch geordnet werden (Birkner et al., 2020). Diese Äußerungen dienen als Ressourcen für die Gestaltung der Interaktion und umfassen nicht nur die sprachlichen Mittel und Ebenen, sondern auch körpergebundene Ressourcen wie Gestik, Gesichtsausdruck, Kopfhaltung, Blick, Körperposition und -bewegung. Diese Ressourcen werden aus der lokalen Situation heraus geformt und sind mit unterschiedlichen Sinnen wahrnehmbar (siehe etwa Imo/Lanwer 2019). Lorenza Mondada fordert daher einen „praxeological approach of sensing practices“ (2021, 39), den der SFB in der dritten Förderphase entfaltet, um die kooperative Verfasstheit von Sensoren, Medien und Daten in der praktischen Hervorbringung unserer Sinneseindrücke darzulegen. Der „praxeological turn“ in den Geistes- und Sozialwissenschaften ist nicht von ungefähr eng mit einem „sensorial turn“ verbunden (Gibson/vom Lehn 2021; Mondada 2021), der sich einerseits gegen eine Hierarchisierung der aristotelischen fünf Sinne wendet und andererseits eine Reduzierung auf wenige scheinbar eindeutig differenzierbare Sinneswerkzeuge ablehnt. Durch die wachsende Verbreitung von Smart Devices (Smartphones, Smart Watches, Smart Glasses etc.), die über eine Vielzahl unterschiedlicher Sensoren verfügen, findet zudem eine Erweiterung des Sensing-Diskurses statt, da z. B. die Sensorik der Trägheit und des Berührens in den Fokus rücken (Mohn et al. 2023; Thielmann 2019). Der SFB nutzt diese sensorische Wende, um seinen Kooperationsbegriff hinsichtlich der Rolle von Körpern und Sensorien zu sensibilisieren und dadurch die medien- und sozialtheoretischen Diskussionen zum Verhältnis von Medien und praxeologisch zu aktualisieren.

Damit berücksichtigt der SFB, dass konventionelle sinnliche Praktiken wie Sehen und Hören, deren Untersuchung in der Vergangenheit favorisiert wurde, primär auf sozialen Konstruktionen und kulturelle Beschreibungskategorien sinnlicher Wahrnehmung basieren (Vannini et al. 2012; Pink 2010). In der ‚gelebten Ordnung‘ sinnlicher Arbeit manifestiert sich eine komplexe, verkörperte Kooperation der Sinne, wie es Garfinkel u. a. in seinen „Inverted Lenses“-Experimenten anhand von „Looking’s Work“ aufzeigt (Rawls/Garfinkel 2002). Daher untersucht der SFB entlang des Konzepts „sensing as work“ (Mondada 2021), wie standardisiertes Wissen und infrastrukturelle Medien aus subjektiven sensorischen Praktiken hervorgehen (P01, B05, B06) (Teil/Hennion 2018). Wie Hennion (2007) und Chau (2008) herausgestellt haben, ist das menschliche Sensorium ein „soziales Sensorium“, das in kooperativer Weise hervorgebracht wird und nicht allein auf individuellen Erfahrungen beruht, sondern sozio-technisch verfasst ist. Die dritte Förderphase des SFB zielt darauf ab zu untersuchen, wie einerseits eine „sensorialized sociality“ (ebd.) medialisiert wird und andererseits Sensormedien dazu beitragen, ein soziales Sensorium zu formen. Der SFB greift daher auf bestehende Diskurse zur Multisensorik (Mondada 2021) und zur Soziologie der Sinne (Göbel/Prinz 2015) zurück, um sie im Kontext von Sensormedien und KI zu einer Sozio-Technik der Sensorik zu erweitern, in der menschliche und technische Sensorien im Austausch stehen.

In der Interaktion wird deutlich, wie Materialität genutzt wird, um sinnvolles Handeln zu gestalten und zu vermitteln. Insbesondere wird dies erkennbar, wenn multisensorische Wahrnehmungen als Bestandteil kooperativer Praxis ausgedrückt, dargestellt und als Zugang zur Interaktion genutzt werden (Mondada 2021). Von einer derartigen Warte aus werden Sensing und Sense-Making nicht als aufeinanderfolgende, kognitive Prozesse erachtet, sondern als untrennbar miteinander verbundene Dimensionen des interaktionalen Ordnens der sozialen Welt (ebd.). Sie werden außerdem nicht als innere Vorgänge, sondern als ‚öffentliche‘ Äußerungs- und Verstehensprozesse aufgefasst, in denen Interagierende ihre Wahrnehmungen wechselseitig wahrnehmen und füreinander wahrnehmbar machen (Reckwitz 2015): So werden nicht nur Sehen und Hören, sondern auch Berühren und Fühlen, Schmecken und Riechen durch körpergebundene mediale Ressourcen, die räumliche Dimension der Interaktion, den Umgang mit materiellen Objekten, technischen Geräten und Infrastrukturen, institutionellen Dokumenten usw. interaktional konstituiert (Mondada 2021).

Der Fokus auf die Kooperation zwischen dem menschlichen und nicht-menschlichen Sensorium eröffnet neue Herausforderungen im Bereich Diversität und Vielfältigkeit (Vannini et al. 2012; Schillmeier 2010), denn Multisensorik, sensorische und Wahrnehmungspraktiken sind eng mit Fragen der Marginalisierung verknüpft. In den Teilprojekten wird adressiert, welche Rolle Geschlecht, Körper, Race, Be_hinderung, Sexualität, Herkunft oder Klasse sowie ihre vielfältigen Verschränkungen in der Kooperation menschlicher und nicht-menschlicher Sensorien, der Nutzung assistiver Technologien oder der multisensorischen Erfahrung sensorischer Medien spielen. Besondere Aufmerksamkeit erhält dabei die Frage körperlicher Be_hinderung oder eingeschränkter Sinnespraktiken, z. B. in der Multisensorik (P01), im Straßenverkehr (A03, B09, P05) oder im War Sensing (P06). Zentral für diese Sensibilisierung sind die historischen Vorarbeiten Garfinkels, da Garfinkel selbst Angehöriger der jüdischen Minderheit war und Studien zu Race, Geschlecht, sozialer Ungleichheit und Be_Hinderung zentraler Bestandteil seiner Arbeiten waren. Erfahrung der Marginalität führt nach Garfinkel zu einem erhöhten Bewusstsein für soziale Prozesse (Eisenmann/Rawls 2023; Duck/Rawls 2023).

Nachdem die medienwissenschaftliche Auseinandersetzung der letzten Jahrzehnte stark durch Bildmedien geprägt war, die sich emblematisch durch mediale Paradoxien wie der ‚Anwesenheit von Abwesendem‘ oder der ‚Sichtbarmachung des Unsichtbaren‘ beschreiben lassen (Mersch 2006, 2015), bewegen wir uns im Zuge der im öffentlichen Diskurs befürchteten Entmenschlichung von Körper und Geist durch sensorische und KI-basierte Interaktionen auf eine neue Paradoxie des Medialen zu: der ‚Versinnlichung des Unsinnlichen‘ mit Hilfe von Sensormedien, die Alltagsgegenstände, Umgebungen und Infrastrukturen sensorisch aufrüsten. Die Komplexität der Gesellschaft, der Verlust von Ambiguitätstoleranz (Bauer 2018) wie auch ein wachsendes Unbehagen an der digitalen Kultur (Nassehi 2021) führen dazu, dass autonom agierende sensortechnische Medien als Lösung und Problem zugleich erscheinen (siehe auch III.). Es stellt sich offenbar erneut ein paradoxaler Effekt ein: Je stärker die sensortechnische Aufrüstung der Medien desto mehr entsinnlichen sich soziale Situation, da Sensing an Sensoren delegiert und von KI verrechnet wird, z. B. in der Telemedizin, dem Straßenverkehr oder der Landwirtschaft. Ziel der praxistheoretischen Auseinandersetzung im SFB ist es, diese neue Paradoxie der Medien analytisch zugänglich zu machen, indem die Verschränkungen des menschlichen und technischen Sensoriums in verschiedenen Praxisbereichen untersucht und Lösungsmöglichkeiten entwickelt werden, wie man mit dieser ambivalenten Medienfunktion gestalterisch umgehen kann.

Dazu wird der bisherige P-Bereich auf Sensorische Praxeologie ausgerichtet. Für die dritte Phase ist dabei besonders relevant, dass Medien und ihre multisensorischen Ausprägungen (Meyer 2021) nicht existieren können, ohne Formen der wechselseitigen Responsivität (Interkorporalität) und sequentielle Assistenz- und Reparaturpraktiken zu ermöglichen (McElvenny/Ploder 2021; Meyer/Schüttpelz 2019). So werden auch digital vernetzte Medien im ko-operativen Handlungsfeld (Goodwin 2017) zu wechselseitigen Medien füreinander (Schüttpelz 2020). Die Kluft von Interaktionstheorie (ohne Medien) und Medientheorie (ohne Interaktion), die der SFB bereits in der ersten Phase adressiert hat, spiegelt sich in der Verschränkung von digitalen Sensoren und menschlichem Sensorium, die in der dritten Phase praxeologisch zum Gegenstand wird. Medien, wie auch Sensoren als „menschliche Erweiterungen“ (McLuhan 1994 (1964)) basieren auf der wechselseitigen Responsivität und verkörperten Fertigkeiten (skills) und sind ihrerseits in diese eingebettet (Schüttpelz 2021b). Aus ethnomethodologischer Perspektive werfen die notwendigen Trust-Bedingungen und die Wechselseitigkeit der Interaktion Fragen sozialer Ungleichheit auf, die in Alltagspraktiken perpetuiert sowie sichtbar gemacht und in Frage gestellt werden können (Duck/Rawls 2023; Rawls 2022). Die geplante Medienanthropologie der Wechselwirkung in P02 spezifiziert die medien- und sozialtheoretischen Problemstellungen und ihre Lösungsansätze, die in der detaillierten Analyse der körperlichen (multimodalen, interkorporalen und z. T. problematischen) Verfertigung von Multisensorik in P01 empirisch zentral gestellt werden. Sie sind Teil eines neu aufgestellten P-Bereichs, der die historisch-konzeptuellen Grundlagen sensorischer Praxeologie erarbeitet und ein relevantes Spektrum sensorischer Praktiken von körperlicher zu digitaler Wechselwirkung untersucht. Die praxeologische Grundlagenforschung wird dazu in die empirischen Bereiche der digitalen Landwirtschaft (P04), der Interaktion im semi-autonomen Straßenverkehr (P05) bis hin zu den Praktiken des War Sensing (P06) erweitert.

 

3. Kooperation ohne Konsens: Kontroversität sensorischer Medien

Von der Entfaltung, Zuspitzung und Verwicklung multipler Krisen und Konflikte blieb die Forschung des SFB in seiner zweiten Förderphase nicht unberührt. Bereits bestehende Krisen haben sich verstärkt (z. B. Klima-, Energie-, Informations- und Verteilungskrise sowie globale Fluchtbewegungen) und neue Krisen sind hinzugekommen (z. B. Corona-Pandemie und der russische Krieg gegen die Ukraine). Diese Krisen stehen dabei auch in Wechselwirkung zueinander und haben auf der Makroebene das Potential, sich gegenseitig zu verstärken. Wirft man einen Blick auf die Mikroebene, so zeigt sich, dass aufgrund veränderter sozio-technischer Konstellationen immer wieder neue Medien der Kooperation hervorgebracht werden, um auf die großen Krisen zu reagieren. Ausgangspunkt einer STS-geprägten sozio-technischen Analyse von Kontroversen und Konflikten (Latour/Weibel 2005) bildeten bisher vorrangig ihre Öffentlichkeiten, d. h. die institutionellen, wirtschaftlichen, politischen, zivilgesellschaftlichen, individuellen, wissenschaftlichen Akteur*innen sowie ihre Positionen und Argumentationen. Medien werden in der Kontroversenanalyse als zentraler Aushandlungsort behandelt, in denen gesellschaftliche und technologische Fragestellungen verhandelt oder ein Disput über mögliche Fakten, Wahrheiten und Weltsich­ten stattfindet (Hight 2018). Im Kontext digitaler Medien ordnen sich diese Verhältnisse neu. Der heuristischen Entgegensetzung von Medien und Öffentlichkeiten setzt das Forschungsprogramm des SFB seit der ersten Phase die Untersuchung ihres Wechselverhältnisses entgegen: Öffentliche Kontroversen setzen mediale Infrastrukturen voraus und mediale Infrastrukturen unterliegen öffentlichen Kontroversen (Gießmann et al. 2023).

Erstens rücken Medien zunehmend in das Zentrum von Kontroversen und Krisen – als Ursachen, Antworten oder Teil ihrer Vollzugswirklichkeit. In der Ukraine findet der bislang am besten dokumentierte Krieg statt (Bareikyte/Skop 2022), der auf vielfältige Weise Medien der Kooperation erzeugt, die zwar auf der Mikro-Ebene Agency ermöglichen, aber auf der Makro-Ebene in erster Linie Handlungsohnmacht offenbaren. Kriege und territoriale Konflikte werden durch Medien wie TikTok und Telegram vermittelt. Im Einsatz von Drohnen- und Satellitenbildern, Investigative Aesthetics und Echtzeitberichterstattung verschränken sich menschliche und technische Sensorien. Welche Rolle Medien und ihre Praktiken im Kontext eines kontroversen Sense-Making kriegerischer Ereignisse einnehmen, markiert das Forschungsdesiderat von P06. Auch im Kontext globaler Migration und der involvierten Grenzpolitiken sind es digitale und sensorische Medien, die die wechselseitige Überwachung von Staat und fragmentierten Öffentlichkeiten ermöglichen (B04). Im Kern dieser Kontroverse steht, wer welche Daten zu welchem Zweck erhebt (Sensing), wie territoriale Konflikte durch Daten repräsentiert, aber auch mit hergestellt werden und wie kontrovers Daten interpretiert werden (Sense-Making).

Andere Krisen hingegen sind zu großen Teilen nur über sensorische Medien mit ihrer spezifischen Raum-Zeitlichkeit wahrnehmbar, wie der Anstieg der Temperatur, des Meeresspiegels und der Grad an Emissionen (Gabrys 2016). Hieran schließt die Kontroversität von Mobilität an, ob als Kritik der ausbleibenden Verkehrswende weg von fossil-basierter Mobilität (A04), als Plattformisierung urbanen Raums durch Mikromobilität (A03), als heterogene Öffentlichkeiten von Mobilitätspraktiken des Radfahrens (B09), aber auch als sensorbasierte Interaktion im autonomen Straßenverkehr (P05). Infrastrukturen und Öffentlichkeiten verschränken sich in diesem Kontext auf neue Weise, denn es sind die infrastrukturellen, vermessenden und verrechnenden Medien, die die umweltlichen Auswirkungen von Mobilität ermessen und zugleich als Lösung des Problems gerahmt werden.

Zweitens werden digitale, sensorische und vor allem (semi‑)autonome Medien zunehmend selbst kontrovers. Viele als öffentlich und partizipativ entwickelte Medien wie Social Media Plattformen befinden sich derzeit nicht nur in der Kritik, sondern in einer Legitimationskrise (Aral 2020). Die umfassende Verdatung von Medienöffentlichkeiten durch Plattformen und ihre kommerziellen Intermediäre (van Es/Verhoeff 2023) sowie die Herausforderungen der Moderation plattformbasierter Sozialiät (Rieder/Skop 2021) wurde in den letzten Jahren als eine Krise von Öffentlichkeit breit diskutiert: Die infrastrukturelle Macht großer Plattformen wie Facebook (van der Vlist et al. 2022), Twitter, Instagram und TikTok hat sich zunehmend als demokratiegefährdend und hegemonial offenbart (siehe auch die Enthüllungen der Whistleblowerin Frances Haugen 2021), weil sie gerade keine Gemeinschaft stiften, sondern durch Fake-News, Hate-Speech, Datenkapitalismus und fragmentierte Öffentlichkeiten gekennzeichnet sind (Eisenegger et al. 2021). Die Optimierung digitaler Medien auf Datenerfassung und Verarbeitung schafft asymmetrische, opake und infrastrukturelle Datenindustrien (A01, A07), die Repräsentation ohne Öffentlichkeit herstellen (Zuboff 2019).

Die Analyse kontroverser Überwachungspraktiken (B06, B04) wird in der dritten Phase mit Blick auf digitale Datensouveränität (Waldecker 2022) kritisch vertieft, aber auch gestaltet. So evaluiert A07 im Zusammenschluss von Medien und Rechtswissenschaft die opaken Netzwerke von Datenintermediären und -aggregatoren, die personenbezogene Daten erfassen, aggregieren oder vermarkten und entwickelt juristische Kommentare und Handlungsempfehlungen. Die historische Grundierung und Rekonstruktion dazu findet in A01 statt. Datenerfassung im Kontext von häuslicher Umgebung und Smart Devices steht im Zentrum von B06, während B04 den Fokus auf überwachte und überwachende Öffentlichkeiten in Marokko legt. Dazu werden rechtliche, gestalterische und praxeologische Zugänge zur Souveränität ausgelotet und die Kontroversen von Medien und ihren Praktiken konturiert.

Der zunehmende Einsatz künstlicher Intelligenzen verschärft die Lage, da KI Praktiken des Entscheidens, Bewertens, Ordnens und Klassifizierens an opake Infrastrukturen delegiert, deren Funktions­wei­sen nicht ausreichend nachvollzogen und dadurch schwer öffentlich problematisiert werden können (siehe Wieringa 2020). Öffentliche Accountabillity von KI reduziert sich zunehmend auf Momente des Zusammenbruchs und Versagens (O’Grady 2022), in denen der situierte und kontextbezogene Vollzug künstlicher Intelligenz nicht glückt, wie z. B. in fehlgeschlagenen KI-Tests oder in Zusammenstößen autonomer Autos.

In der Forschung wurden problematische Vollzüge semi-autonomer Medien bisher vor allem als Probleme algorithmischer Fehlleistungen (Broussard 2018) sowie fehlender Ethik und Bewertungskapazitäten der Medien gerahmt (Rességuier/Rodrigues 2020; Shneidermann 2022) und damit auf infrastruktureller Ebene verortet. Aus praxeologischer Perspektive entfaltet sich das Problem jedoch als Frage von „situational AI“ (Marres/Sormani 2023), die sich aus dem Zusammenspiel von Trainingsdaten, KI-Modellen und ihrem situierten Vollzug ergibt (Bender et al. 2021; Crawford/Paglen 2019). Die bereits in der zweiten Förderphase adressierte Verdatung sämtlicher Lebens- und Arbeitsbereiche geht mit einer Kategorisierung und Bewertung von Personen, Körpern und Gruppen einher, mit denen im besonderen Maße Bias hinsichtlich Klasse, Gender und Race produziert und reproduziert wird (Chun/Barnett 2021; Ruha 2019). Sie stehen im Zentrum rezenter Entwicklungen im Bereich Critical Data Studies sowie feministischer Datenkritik, die der SFB praxeologisch perspektiviert, indem er untersucht, wie Bias im Zusammenspiel von Daten, lernenden Algorithmen, menschlichen und technischen Sensorien entsteht. Führt die Verschränkung des menschlichen und technischen Sensoriums zu einem geteilten oder fragmentierten Sensorium? Unter welchen Bedingungen wird diese Verschränkung öffentlich problematisiert?

Der SFB greift Debatten rund um Whiteness/De-Colonising AI (Cave/Dihal 2020), Daten-Feminismus (D’Ignazio/Klein 2020; Sinders 2020), Disability Studies und KI (Whittaker et al. 2019) auf und reflektiert sie in seiner Analyse von Sensormedien und KI im praktischen Vollzug. P01 zeigt, wie die kooperative Verfertigung von Geschlecht, Gender, Race, Be-Hinderung und Diversity im Allgemeinen Teil des Garfinkel-Archivprojekts sind (Eisenmann/Rawls 2023; Duck/Rawls 2023) und untersucht, wie sich diese Kategorien in Multisensorik und Wahrnehmungspraktiken einschreiben. B09 untersucht Fahrradpraktiken und ihre Medien mit Blick auf die Frage, wie diese die Erfahrung öffentlichen Raums entlang von Geschlecht, Race, Alter und Be_hinderung strukturieren und arbeitet mit diversen Akteursgruppen. In B08 spielt die geschlechtsspezifische Gestaltung synthetischer Agenten eine Rolle, A03 und P05 adressieren den Einsatz von Sensoren im Kontext von assistierter Bewegung im Straßenverkehr. Fragen rund um Diskriminierung und Kategorisierung durch Daten werden in A01 und A07 vertieft. Bio- und Geodiversität in der Kooperation spielt eine zentrale Rolle bei P04 und P06 reflektiert War Sensing hinsichtlich der Diversität vertretener Positionen. Der SFB leistet mit dieser programmatischen Ausrichtung einen wesentlichen Forschungsbeitrag zu der Frage, wie (semi-)autonome Sensormedien Agency verteilen und inklusiv oder öffentlich verhandelbar sind.

Die Gegenwartsdiagnose zum Wandel von Öffentlichkeiten und Kontroversen digitaler, sensorischer Medien bleibt ambivalent: Zum einen untergraben infrastrukturelle Medien die Verfertigung von Öffentlichkeiten sowie öffentliche Prozesse der Issuefication (ebd.) durch zunehmende Fragmentierung (Aal et al. 2022; Zillinger 2021) und Re-Konfiguration der Sensorik. Gleichzeitig gibt es stärkeres gesellschaftliches und wissenschaftliches Interesse an diversen politischen Positionen (Ruppert/Scheel 2021) und eine Sensibilisierung für Fragen von Diversität, Gerechtigkeit (D’Ignazio/Klein 2020), algorithmischer Diskriminierung, datenbasiertem Aktivismus/Bürgerwissenschaft und alternative Interpretationen öffentlicher Daten (Fuller/Weizman 2021). In der dritten Förderphase begibt sich der SFB mitten in diese Ambivalenz, um sie kritisch zu reflektieren und zu gestalten.

Die Auseinandersetzung mit den Medien in Krisen und den Kontroversen der Medien übersetzt sich dabei, so die These für die dritte Laufzeit, in die Frage nach einer gelingenden Skalierung von (Teil‑)Öffentlichkeiten, die als fraktal beschrieben werden können. Dies betrifft einerseits die Frage, wie im Kontext der Delegation von Praktiken an opake, infrastrukturelle Medien eine öffentliche Auseinander­setzung mit den Grundlagen sensorischer Kooperation möglich ist (Marres 2020a). Aber auch jenseits der Kontroversität sensorischer Medien hat sich die Artikulation öffentlicher Angelegenheiten angesichts sozialer, ökologischer und politischer Krisen zu einer Frage der öffentlichen Accountability zugespitzt (Röhl 2022) und wird – wie z. B. in öffentlichen Aktionen von Friday for Future bis Last Generation massenmedial verhandelt wird – von selbstorganisierten Sozialformen und ihren Medien­akteu­r*innen neu gestellt (B04, B09, P06). Die Erforschung von Medienpraktiken der Skalierung, über die Teilnehmer*innen Makrophänomene jenseits isolierter Situationen schaffen und aktiv Verknüpfungen einzelner Situationen herbeiführen (Gießmann et al. 2023), soll in der beantragten letzten Laufzeit empirisch vertieft (A07, B04, B06, P06) und sozial- und medientheoretisch ausgewertet werden (P02, B04). Grundlage dafür bildet die Arbeit an gestaffelten (Zillinger 2017) und fragmentierten Öffentlichkeiten (Aal et al. 2022; Zillinger 2021; Weibert et al. 2023 ), die auf die Frage der Skalierbarkeit von Öffentlichkeiten perspektiviert werden soll.

Wie leicht an den Aktivist*innen der Letzten Generation sichtbar wird, die in Kleingruppen Infrastrukturen stören, um maximale Öffentlichkeit für klimapolitische Issues zu erzielen, erschöpfen sich Situationen sozio-materieller Einrichtung von Öffentlichkeit nicht in der Wechselseitigkeit ko-präsenter Körper. Die gegenwärtige Entwicklung digitaler und sensorischer Medienpraktiken erfordert daher eine weitere Zuspitzung des Programms post-situationalistischer Medienforschung, die am SFB erfolgreich verfolgt wurde (Gießmann et al. 2023; Dieter et al. 2019; Marres 2020b): Digitale und sensorbasierte Medien setzen die sozio-räumliche Staffelung von Öffentlichkeit zunehmend außer Kraft und schaffen neue Territorien der Datenverarbeitung und Sensorisierung. Sensible Sachverhalte größtmöglicher Reichweite – von der Klimakrise bis zur sensorischen und politischen Überwachung – werden als Teil individueller, intimer und geschützter Praktiken ausgewiesen, Accountability hierfür eingeklagt und private wie intime Praktiken durch Sensing und Sense-Making mit verteilten, aber auch den weitest möglichen (Daten-)Öffentlichkeiten verschränkt. Die klassische Frage der Öffentlichkeitsforschung, wie der umfassendste und der kleinste Raum aufeinander abgebildet werden (Mannheim 1979), scheint in digitalen Medienpraktiken insofern aufgehoben zu werden, als dass Makro-, Meso- und Mikrophänomene von den Akteur*innen in digitalen Medienpraktiken sozio-technisch aufeinander bezogen werden und sich als Ko-Artikulationen (Marres 2011) verschränken. In seiner dritten Förderphase untersucht der SFB, wie unter diesen Bedingungen eine öffentliche Auseinandersetzung mit digitalen, datenintensiven und sensorischen Medien stattfindet – aber auch, wie sie gestaltet werden kann. Dies betrifft Widerstandsnetzwerke künstlerischer Medienöffentlichkeiten zwischen dem Rif und Europa (B04) genauso wie Amateursöffentlichkeiten (B09), Familienkonstellationen (B05) und überwachte Öffentlichkeiten (A01, A07, B06, B08).

Dazu sollen Kontroversen und ihre Öffentlichkeiten quer durch alle Forschungsprojekte nicht nur beforscht, sondern Teil der kooperativen Forschungspraxis werden. Im Rahmen des neu konzipierten Ö-Projekts verfolgt der SFB das Ziel, relevante Öffentlichkeiten gezielt an verschiedenen Stadien in die Forschungspraxis einzubinden. Die Vollzugswirklichkeit der Kontroversen von Sensormedien werden gemeinsam mit Akteur*innen aus dem Feld untersucht. Diese umfassen involvierte Familien, Schulen, Organisationen, Aktivist*innen, Journalist*innen, Künstler*innen und Entwickler*innen. Je nach Projekt werden Feldzugänge gemeinsam mit involvierten Öffentlichkeiten geschaffen, Daten gemeinsam erhoben, analysiert, diskutiert oder Ergebnisse zugänglich gemacht. Der von jeher ethnographisch aufgestellte Forschungsverbund hat damit vielfältige Erfahrungen (A01, A03, A05, B04, B05) und auch die Entwicklung digitaler Methoden ist historisch durch eine Zusammenarbeit mit relevanten Stakeholdern wie Expert*innen, NGOs und Akteur*innen aus der Zivilgesellschaft gekennzeichnet (Marres/Gerlitz 2016).

Feministische Perspektiven auf Kontroversen- und Issue-Analysen eröffnen in diesem Zusammenhang die Frage, welche Akteur*innen und Positionen in der Öffentlichkeit Gehör finden und welche Sichtweisen, Themen oder Positionierungen margi­nalisiert werden. Bei der Zusammenarbeit mit heterogenen Öffentlichkeiten ist dieser Perspektive Rechnung zu tragen, indem die Bedingungen einer kritischen Artikulation öffentlicher Issues sowie der (Neu-)Aufteilung des Sinnlichen (Rancière 2008) berücksichtigt werden. Angesichts multipler, sich wechselseitig bedingender und verstärkender Krisen gewinnt die Frage der Gestaltung von Zukunft an Dringlichkeit. Aus praxeologischer Perspektive werden Zukünfte in der digitalen Gegenwart im Zusammenspiel verteilter Daten- und Medienpraktiken kooperativ imaginiert, hervorgebracht, gehandhabt und gestaltet. Dazu konfiguriert der SFB den Zugang zu zukünftigen Medien um: Anstelle zu versuchen, die Zukunft vorherzusagen, fragen wir, wie die Bedingungen für zukünftige Kooperation rechtlich, ästhetisch, technisch, sozial, infrastrukturell und öffentlich gestaltet werden können.

 

4. Digitale Methodologien zwischen Forschungspraktiken und Forschungsmedien

Die Ausrichtung des SFB auf sensorische Kooperation eröffnet neue methodologische Herausforderungen – vor allem bei der Analyse der verschränkten Sensorien und der Kooperation menschlicher und nicht-menschlicher Entitäten. Der SFB adressiert diese durch eine konzeptionell-praktische Weiterentwicklung seines methodologischen Spektrums, dessen Basis die Analyse kooperativer Medien im praktischen Vollzug – als „ongoing accomplishment“ (Garfinkel 1967) – darstellt. Grundlagen sind und bleiben beobachtende, teilnehmende und praxeologische Ansätze, die weiterhin mit digitalen, linguistischen und gestaltenden Methoden kombiniert werden, um ausgehend von spezifischen (Mikro‑)Situationen sowohl Medien als auch ihre Praktiken zu untersuchen. Jedoch ist die Verfertigung digitaler Medien eben dadurch gekennzeichnet, dass diese nicht nur situiert entstehen, sondern die Kapazität besitzen, multiple Situationen zugleich erzeugen zu können oder mit ihnen verbunden zu sein (Schüttpelz 2021a; Dieter et al. 2019). Diese Ausgangslage wird durch Sensormedien, ihre mikrotemporale Echtzeitorientierung und Skalierbarkeit nochmals verschärft. So ist beispielsweise die Nutzung eines smarten Wasserkochers gleichzeitig eine Alltagspraktik sowie Teil globaler sensorischer Datenindustrien und möglicherweise eine Ko-Artikulation nachhaltigen Energieverbrauchs (Marres 2015). In der multiplen Situiertheit verschränken sich Infrastrukturen (des Sensing und Sense-Making), Öffentlichkeiten (Anspruchsgruppen digitaler Daten) und menschliche Sensoriken. Verfolgt man die multiplen Situationen einer Praktik, so verbindet sich die Analyse der Mikro-Situation skalenübergreifend mit ihrer infrastrukturellen Verteiltheit und kontroversen Öffentlichkeit(en) und bildet die Grundlage einer kritischen, kontrovers-sensiblen Medienforschung. Dazu verbindet der SFB situationistische Metho­do­logien (Clarke et al. 2018), die in den letzten Jahren zunehmend für die Analyse digitaler Daten und ihrer Infrastrukturen fruchtbar gemacht wurden (siehe u. a. Friedrich/Hoell 2021), mit der Erforschung von Sensormedien und entwickelt seine Vorarbeiten zu multi- und post-situativen Methodologien weiter.

Der Forschungsfokus auf die Kooperation zwischen dem menschlichen und technischen Sensorium wird dabei auch auf methodologischer Ebene virulent, denn auch in der Forschungspraxis verschränken sich menschliche Beobachtungen, technische Sensorien und digitale Daten genauso wie zunehmend autonomes technisches Sense-Making und menschliche Interpretation. Der Einsatz digitaler Forschungsmethoden basiert z. B. auf der Integration der Ordnungs- und Klassifizierungsfähigkeiten digitaler Medien, indem die durch Medien formatierten Daten oder algorithmisch erstellten Inhalte Teil wissenschaftlicher Corpora werden (Rogers 2013). Dieser Komplex verschärft sich, wenn auch Daten aus Sensormedien oder Ergebnisse künstlicher Intelligenz Teil der Forschungspraktiken werden. In der sozial- und medienwissenschaftlichen Methodendiskussion wurden deren generative Kapazitäten als Performativität von Methoden, als Einschreibungen von Tools und Techniken (Ruppert et al. 2013) oder als methodologische Bias oder Interface Methods (Marres/Gerlitz 2016) artikuliert. An der Verschränkung menschlicher Beobachtung mit sensorischer Erfassung bzw. Auswertung durch künstliche Intelligenzen zeigt sich, dass sich die generativen Effekte nicht auf Methoden und ihre Tools reduzieren lassen, sondern als wechselseitige sensorische Forschungspraktiken entstehen.

So fokussiert sich die Arbeit am Grenzobjekt und an Methoden in der letzten Förderphase darauf, Ansätze der Inventive Methodologies (Lury/Wakeford 2012) im Kontext sensormedialer Kooperation weiter zu entwickeln und als kooperative Forschungspraktiken zu spezifizieren. Eine solche methodologische Perspektive geht mit einer empirischen Offenheit und Beweglichkeit einher, die, angelehnt an Garfinkels Idee der methodologischen Angemessenheit, nicht a priori festlegt, welche Medien, Daten, Situationen und Praktiken innerhalb einer Operationskette relevant sein können (Garfinkel 1984). Vielmehr geht sie von einer „Unterschiedslosigkeit der herangezogenen Daten“ (Ploder/Thielmann 2021, 220) aus, deren Relevanz sich im situierten empirischen Zusammenspiel zeigt. Die kooperativen Forschungspraktiken des SFB sind damit kontext-sensibel aber nicht per se induktiv, sondern entfalten sich als Dialog zwischen theoretischen Fragestellungen, dem Feld, der Methode, Daten und Tools sowie involvierten Öffentlichkeiten (Marres et al. 2023).

Dadurch zeigt sich, so Schüttpelz, die Verschränkung zwischen Methoden und Theorie: „Methoden sind die Praktiken einer theoretischen Fragestellung“ (2019, 164), genauso wie Theorien die Ausrichtung von Methoden an ihren Gegenständen und die Sensibilität der Forschenden prägen. Die Methoden eines auf Kooperation und Wechselseitigkeit ausgerichteten Forschungsverbunds, der Praktiken den Medien vor-ordnet, verlangen selbst nach Forschungspraktiken, die diese Wechselseitigkeit beschreiben, reflektieren und gestalten. So kann die Arbeit an Inventive Methods, das Offenlegen des methodischen Zugangs, seine Beweglichkeit, Anpassung aber auch seine Brüche als „praxeologische Analyse verstanden werden, die dem Verhältnis von Forschungsmedien und Forschungspraktiken auf die Spur kommt“ (Ploder/Thielmann 2021, 220). Methoden, so die Proposition des SFB, sind demnach keine Disziplinierung der Disziplinen, sondern die Politisierung ihrer epistemischen Praktiken.

In der letzten Förderphase soll die Verschränkung von Theorie und Methoden der Kooperation quer durch alle Teilprojekte diskutiert, weiterentwickelt und in eine gemeinsame Publikation zu kooperativen Methodologien münden, die gegenstandsadäquate, (post-)situative Methodologien der Medienforschung im Kontext sensorischer, agentieller Medien entwickelt. Denn der SFB verfolgt den Anspruch, Methodenarbeit nicht nur intern, sondern systematisch in die beteiligten Disziplinen zu vermitteln. Dazu werden methodenorientierte Veranstaltungen öffentlich und hybrid organisiert und gemeinsam mit dem Center for Digital Methodologies der Universität Siegen ein Ressourcenpool zu relevanten Methoden und Tools erarbeitet. Im Zentrum stehen historiographische, ethno­graphisch-gegen­warts­orientierte und gestaltende Forschungspraktiken, mit denen das Forschungsprogramm der dritten Phase umgesetzt werden soll.

 

4.a Historische Praxeologie ko-operativer Medien

In der dritten Förderphase wirkt der SFB weiter auf eine Verschränkung von historisch-praxeologischer und Gegenwartsforschung hin und setzt projektspezifisch den historischen Bezugsrahmen, um die untersuchten rezenten Phänomene angemessen kontextualisieren zu können. Historiographische Ansätze finden sich dafür sowohl auf Teilprojektebene (A01, P02) als auch im Rahmen von Arbeitspaketen, die in Teilprojekten eine konkrete Verschränkung von historischer und Gegenwartsforschung realisieren (A03, A04, B08, P04). Alle historisch-praxeologischen Denkstile zeichnen sich durch ein hohes Maß an Methodenreflexivität aus; die „Sichtbarmachung und Analyse von Praktiken vergangener Zeiten“ (Freist 2015, 66) wird durchweg als archivarisch, philologisch, historiographisch, technik- und praxistheoretisch forderndes Programm verstanden, das Praktiken nicht in actu sondern anhand ihrer heterogenen Spuren untersucht. Diese in den deutschsprachigen historischen Sozial- und Kulturwissenschaften bestehenden Ansätze zur historischen Praxeologie sind in den letzten Jahren intensiv weiterentwickelt worden (Schüttpelz et al. 2021; Martus/Spoerhase 2022), jedoch in der Regel ohne starken Bezug zur Gegenwartsforschung. Mit der Neukonfiguration einer historisch und gegenwärtig ausgerichteten Medienpraxeologie fokussiert sich der SFB darauf, jene kooperativen Medien-, Daten- und Körperpraktiken sichtbar zu machen, die sich unter den Bedingungen ubiquitärer Sensormedien (Thielmann 2019) vollziehen. Sowohl die historische Entwicklung von mobilen Praktiken der Nahraumtechnologie Bluetooth (A01) als auch das Aufgehen der zur Wegfindung notwendigen Informationen in der Umgebungswahrnehmung von zunehmend mit AR-Interfaces ausgestatteten Nutzer*innen (A03) zeigen auf, wie rezente Sensordaten und ihre Datenpraktiken einer längeren historischen Trajektorie folgen.

Insbesondere erarbeitet der SFB eine Geschichte automatisierter, (semi‑)autonomer und computerisierter Landwirtschaft (P04), die zeigt, dass die jüngsten sensortechnischen Konsolidierungen Teil einer längeren Mediengeschichte sind. Zu diesem Zweck wird die bereits in der Siegener orts- und situationsbezogenen Medienforschung etablierte Methode des Reenactments (Dreschke et al. 2016) für die historische Praxeologie adaptiert, indem Anwendungsszenarien historischer AR-Navigationsmedien nachgestellt (A03) und landwirtschaftliche Technologien des Einhegens in Kooperation mit den LVR-Freilicht- und Technikmuseen Lindlar und Kommern zur Anwendung gebracht werden (P04). Um die verkörperten Erfahrungen der untersuchten Communities of Practice erfassen zu können, intensivieren die historisch konturierten Projekte ihre Zeitzeug*inneninterviews als Oral History (A01, P02, P04). Die historische und gegenwartsbezogene Analyse der Entwicklung von digitalen Medientechnologien steht zudem vor der Herausforderung, es mit einer techno-maskulinen Community zu tun zu haben, in der – vor allem in der histo­ri­schen Forschung – oft die männlichen, meist weißen Akteure im Vordergrund stehen. Das Forschungsdesign der Teilprojekte mit historischen Ansätzen berücksichtigt dies und adressiert bewusst sog. Hidden Figures – nicht im Sinne einer Kompensation, sondern zur Rekonstruktion sichtbarer und unsichtbarer Arbeit.

Eine historische Praxeologie ko-operativer Medien erfordert auf dieser Basis auch fortwährende quellennahe Methodeninnovation, um den jeweiligen erforschten Praktiken bzw. Skills und ihrer Situationsgebundenheit wie kooperativen Wechselseitigkeit gerecht zu werden. Zugleich ist für die praxeologische Mediengeschichte (spätestens) seit den 1990er Jahren ein neuer Umgang mit Born Digital Culture Heritage notwendig (Schafer/Winters 2021). Dies gilt für die internationale Community der Webarchivar*innen, die das Schreiben von Web History mit eigenen Infrastrukturen ermöglicht (RESAW) ebenso wie für die zentrale Rolle des Internet Archive (A01). Zudem wird der SFB anhand der Geschichte von Werbenetzwerken neue Methoden für den Umgang mit Gerichtsdokumenten und -urteilen entwickeln, die deren spezifischen Status zwischen kritischer Aufarbeitung und gegenwärtiger juristischer Entscheidung pointiert (A01, A07). Die Beiträge zur digital-historiographischen Methodeninnovation werden gemeinsam mit den jeweiligen Praxisgemeinschaften entwickelt und im Rahmen der zugleich historisch wie kritisch gegenwartsorientierten Jahrestagung 2025 vorgestellt („RESAW25: Histories of the Datafied Web“).

Eine solche historische Praxeologie ko-operativer Medien ist damit auch imstande zu zeigen, wie die für „Environing Media“ (Wickberg/Gärdebo 2022) charakteristische Wechselbeziehung soziotechnischer Entwicklungen und environmentaler Veränderungen im praktischen Vollzug hergestellt wird. Dabei gehen die Teilprojekte über allgemeine Erkenntnisse hinaus, die die Mediatisierung der Umgebung betreffen, indem sie historische Trajektorien der Umweltlichwerdung von Medien konkretisieren: anhand der Verschränkung von Capturing, Monitoring und Environing in Werbe- und Sensornetzwerken (A01), anhand der sensormediengestützten motilen und mobilen Praktiken der Erkundung urbaner Nahräume (A03) sowie der präzisen analogen und digitalen Modellierung agrikultureller Terrains im sogenannten Closed Loop Sensing (P04). Fokussiert wird dabei auch die weitgehend unterschätzte soziotechnische Rolle von Miniaturisierung und Funktechnologien im umgebenden Internet der Dinge und in Smart Cities – von Nahfunktechnologien (Bluetooth, A01) bis hin zu Wide Area Networks (A03, P04). Mittels der Rekonstruktion von Praktiken der Raumerfassung und -intervention leistet der SFB in seiner dritten Laufzeit einen konstitutiven Beitrag zur ko-operativen, datenpraktischen Geschichte des Sensing und Sensordaten. Zugleich stellt er abschließend die wissenschaftshistorische Frage nach den Paradigmen einer Anthropologie der Kooperation, die als Bedingung der Möglichkeit des Siegener SFB gelten können (P02).

 

4.b Ethnographische Erforschung von (Sensor‑)Medien mit Inventive Methods

Der Siegener Ansatz einer ethnographisch ausgerichteten qualitativen Medienforschung hat sich seit Einrichtung des SFB bewährt und wird durch die Besetzung der Professur für Medienethnologie/Methodeninnovation durch Prof. Götz Bachmann im Wintersemester 2023/24 noch weiter gestärkt. Erweitert wird diese Ausrichtung in der dritten Förderphase um explizit auf Sensormedien und sensorische Praktiken ausgerichtete Ansätze. Dies betrifft unter anderem die empirische Analyse der Kooperation des menschlichen und technischen Sensoriums – wie können sensorische Praktiken und das sensorische Erleben im Wechselspiel mit datenintensiven Sensormedien erfasst und aufeinander bezogen werden? Sensorik lässt sich mit teilnehmenden Methoden nur begrenzt beobachten und bedarf neuer empirischer Zugänge (Pink 2015). Dabei kann der SFB auf Ansätze aus den ersten beiden Förderphasen zurückgreifen, z. B. die Analyse von Blickverhältnissen im Bereich AR/Drohnen­navigation (Bender/Kanderske 2022), die die wechselseitige Konstitution von Sinnen und Senso­ren zwischen menschlichem Sehen, Interfaces und dem Blick durch Drohnenkameras verschränkt haben, die video-ethnographischen Arbeiten zum Thema Berührung im Kontext der familiären Smartphone-Nnutzung (Mohn et al. 2023) und die Aufarbeitung der Geschichte der AV-Sequenzanalyse (Bergmann/Meyer 2021).

Um diese Ansätze weiter zu entwickeln, integriert der SFB das Feld der „sensory ethnography“ bzw. „sensory methods“ (Pink 2015; Bee 2018), das experimentelle Verfahren entwickelt, um sinnliches Erleben und sensorische Praktiken zu erfassen. Sie sind in der Genealogie der Visuellen Anthropologie (Grimshaw/Ravetz 2005) und Ethnographie zu verorten und setzen auf ästhetische Formen der Darstellung, wie Film und (Sound‑)Installationen, berücksichtigen aber auch die Materialität der Medien und ihrer Environments, wie die Arbeiten in B05 zeigen. Sensing und Sense-Making werden so als untrennbar miteinander verbundene Dimensionen des interaktionalen Ordnens der sozialen Welt (Mondada 2021) adressiert. Hieran anknüpfend stellen im Kontext einer praxeologischen Methodologie (Rawls/Lynch 2022; Meier zu Verl/Meyer 2022) die (teilnehmende) Beobachtung, eine auf den Erwerb von Skills ausgerichtete, ethnographische Immersion ins Feld (Eisenmann/Mitchell 2022), der umfassende Einsatz von Audio- und Videoaufzeichnungen oder eine minutiöse multimodale Transkription Mittel der Wahl dar, um multisensoriale Interaktion und Praxis gegenstandsadäquat zu erforschen (Mondada 2021). Auf diese Ansätze gilt es aufzubauen und sie mit Sensordaten, kreativen Techniken der Dokumentation oder Rekonstruktion von Situationen mittels Collagen, Datenvisualisierung, Experimenten, Tagebüchern oder Reenactments etc. zu erweitern (A05, P05, B09, INF), um auch unterschiedliche gesellschaftliche Positionierungen und Situierungen zu berücksichtigen. So ist es das Ziel des SFB, das Feld der „sensory ethnography“ für die Analyse sensorischer, (semi-)autonomer aber auch opaker Medien fruchtbar zu machen und interdisziplinär zu erweitern.

Die Notwendigkeit zur Methodenentwicklung betrifft auch den Bereich der digitalen Methoden, die Daten aus Medien für Forschungszwecke erheben und umnutzen. Denn digitale Medien und vor allem Plattformen schränken die Zugänge zu ihren Daten aus Gründen des Schutzes der Privatsphäre, aber auch aus wirtschaftlichen Motiven, zunehmend ein. Als Antwort formieren sich im Feld unter dem Schlagwort der „post-API methods“ alternative Zugänge zu digitalen Daten (Perriam et al. 2020; Caliandro 2021), zu denen auch die experimentell an mobilen Medien erprobte empirische Analyse von Sensormedien sowie der Einsatz KI-basierter Methoden (P03, A03, MGK, INF) in der zweiten Förderphase des SFB zu zählen sind. Der SFB erarbeitet, wie digitale Methoden im Kontext sensorischer Medien, Datenschutz und restriktiven Plattformökonomien aussehen können. Wie können die Daten aus Wearables oder aus Sensormedien in Arbeits- und Produktionskontexten für die Forschung nutzbar gemacht werden, um sensorische Kooperation nachzuvollziehen, aber auch um Umgebungen und Environments von Praktiken in ihren sinnlichen Dimensionen zu erfassen? Wie rekonfigurieren Sensordaten und KI dabei das forschende Sensorium und die forschenden sensorischen Praktiken? Ziel der dritten Förderphase ist es, die Verschränkung von digitalen und sensorischen Methoden als „sensory digital methods“ sowohl konzeptuell als auch forschungspraktisch zu spezifizieren (MGK) und im Rahmen von INF Methodologien zu Nutzung von KI zur Analyse von qualitativen, digitalen und sensorbasierten Daten zu explorieren.

Auf methodischer Ebene zeichnet sich der SFB in seiner ethnographisch-praxeologischen Methodentradition durch eine Sensibilität für die Positionalität der Forschenden zum Feld aus. Er macht deutlich, wie Forschung ihre Gegenstände nicht nur analysiert, sondern durch Beschreibungen, Klassifizierungen, Ordnung und In-Bezug-Setzen ko-konstituiert. Das Verhältnis der Forschenden zu ihrem Feld wird im Kontext kultureller Vielfalt und Geopolitik in besonderem Maße virulent. In der Forschung zu MediaSpaces in Marokko (B04) spielt die Berücksichtigung von Diversity eine zentrale Rolle, da viele der Teilnehmenden eine Migrationsgeschichte haben und kulturelle und religiöse Themen und damit verbundene Machtdynamiken die Entwicklung der Communities of Practice mit beeinflussen. B04 begegnet dieser Vielfalt, indem das Projekt die Zusammenarbeit mit lokalen Partner*innen kontinuierlich fördert. Dekoloniale Ansätze prägen die sozio-informatische und anthropologische Wissensproduktion sowie die ethnographische Zusammenarbeit im Projekt. Im Kontext des Krieges gegen die Ukraine hingegen lassen sich Mittel- und Osteuropa (P06) nicht ‚von außen‘ als rein geographischer Raum beschreiben, sondern sind historisch von unterschiedlichen Macht- und Einflussstrukturen durchzogen. Die häufig bediente Ost/West-Metapher wird in diesem Zusammenhang im Projekt problematisiert und es werden – durch Einbezug lokaler Perspektiven und Bedürfnisse – situierte Darstellungen aus Mittel- und Osteuropa selbst hervorgebracht. Teil dieser Orientierung ist die Zusammenarbeit mit heterogenen Öffentlichkeiten, in denen die eigene Positionalität und mögliche Machtgefüge u. a. im Vernetzungsworkshop „Politics and Ethics of Activist Research and Cooperative Methods“ von P06 und B09 unter Beteiligung von B04 und P01 reflektiert werden sollen. Dabei rekurriert der SFB explizit auf die feministische Methodentradition der situationalistischen und post-situationalistischen Methoden (Clarke et al. 2018; Marres 2020b), um für die konkreten Verschränkungen von Forschungspraktiken entlang von Geschlecht, Alter, Klasse, Race, Be_Hinderung und Herkunft zu sensibilisieren.

Im Kontext gestalterischer Teilprojekte werden die Inventive Methods um kreative, antizipierende Methoden in der Technikgestaltung wie Prototyping oder auch Design Fiction ergänzt. Diese sind darauf ausgelegt, gegenstandsadäquate Lern- und Diskursräume zu öffnen und werden in der beteiligungsorientierten Technikentwicklung und in der HCI angewandt. Antizipierende Methoden bringen unter Einsatz kreativer und qualitativer Ansätze Use Cases und Szenarien hervor, die als Aushandlungsartefakte zwischen unterschiedlichen am Projekt beteiligten Akteur*innengruppen (Organisationen, Politik, Bürger*innen) oder interdisziplinären und intersektoralen (Industrie/Forschung) Projektpartner*innen zum Einsatz kommen. Im SFB entwickeln vor allem A05 und P05 antizipierende Inventive Methods, z. B. um mit Digitaltechnik nicht vertraute Personen (wie ältere Patient*innen oder Beschäftigte im Gesundheitsbereich) zu motivieren, sich an Projekten zu beteiligen (Müller/Struzek 2022). Sie kommen allerdings auch zum Einsatz, um mögliche zukünftige Praktiken auszuloten, wenn die Prototypen (z. B. Robotik, KI-Anwendungen) zu komplex sind, als dass sie als stabile Artefakte in der Praxis unmittelbar und umfassend getestet werden können.

Zentral bleibt in der Kombination und Weiterentwicklung von Methoden, dass sie nicht als wissenschaftliche ‚Methoden‘ vorausgesetzt, sondern ihrerseits als Praktiken betrachtet werden, die ‚Wahrnehmungen‘ und ihre Kontexte durch Medien- und Datenpraktiken mit konstituieren (Mondada 2021).

 

4.c Gestaltung von Medien und ihren Praktiken

Die historisch-praxeologische sowie gegenwartsbezogen-ethnographische Forschung im SFB wird ergänzt durch interdisziplinäre gestalterische und interventionistische Ansätze. Die gestaltenden Projekte des SFB verschränken dabei qualitative sozialwissenschaftliche Methoden sowie Konzepte aus dem Interaktionismus und der Ethnomethodologie mit dem Design von Software- und Technologieanwendungen und übersetzen sie in interdisziplinären Gestaltungsansätze (Bjørn/Østerlund 2014; Rohde et al. 2017). In der dritten Förderphase wird der SFB bei den kritischen Kontroversen ansetzen und diese in die (sozio‑)technische Gestaltung digitaler Medien als kooperativ erarbeitete Bedingungen künftiger Kooperationen einbeziehen. Sowohl in ihren aktuellen Realisierungen als auch in ihren antizipierten zukünftigen Entwicklungen sind Medien der Kooperation eng mit Imaginaries verwoben, die verschiedene Öffentlichkeiten über digitale Medien, deren Funktionslogiken und Daten haben (Beer 2018). Gerade die sozio-technische, politische und wirtschaftliche Relevanz von Technologien, die sich in einem relativ frühen Stadium der Entwicklung oder Durchsetzung befinden (z. B. autonome Fahrzeuge (P05), generative Modelle von KI (B08), Telemedizin (A05), Smart Cities (A03) und Smart Homes (B06)), beruht auf dem Potenzial, das ihnen zugeschrieben wird. Deswegen berücksichtigt der SFB die Rolle von Imaginaries bei der Analyse von Medien-, Daten- und sensorischen Praktiken sowie der Gestaltung digitaler Medien und fragt, wie sie zum Ongoing Accomplishment verteilter digitaler Medien beitragen.

Über das Projekt einer „critical technical practice“ (Agre 1997) hinausgehend ist es das Anliegen des SFB, Praktiken des „critical making“ (Ratto 2011) zu entwickeln, die sensibel für Kontroversen, Imaginaries und situierte Vollzugswirklichkeiten sind. Gestaltung und Kritik sollen in einer symmetrischen Designpraxis zusammenwirken. Diese Gestaltungspraxis wird in der dritten Förderphase entlang von drei zentralen Dimensionen umgesetzt.

  • Im Kontext der sozio-informatischen Ansätze werden Designprozesse selbst ins Zentrum gerückt und danach befragt, wie diese die Wahrnehmbarkeit und Sensorik digitaler Medien verändern und mit den Kontroversen digitaler Medien umgehen (siehe u. a. Weber/Ludwig 2020). Hierbei sollen Methoden des kooperativen Entwerfens, wie z. B. Prototyping (A05), Design Fictions (P05) und Participatory Design (B04, P05), welche in Informatik, HCI und Design entwickelt werden und Verwendung finden, eine zentrale Rolle spielen. Neu ist die Auseinandersetzung mit Sensormedien, bspw. über digitale und analoge Tagebuch- und Photo-Eliciting-Methoden (Martin/Hanington 2012) und Cultural Technology Probes (Gaver et al. 1999; Müller et al. 2023) (A05). Hierbei steht das kollaborative Prototyping von Mock-ups im Vordergrund, die als Aushandlungsartefakte dienen, um gemeinsame Reflexionen guter Zukünfte (P05) oder Ermöglichungsinfrastrukturen zu realisieren (B04).
  • Schon in den ersten beiden Phasen standen die forschenden Datenpraktiken des SFB selbst im Zentrum der Gestaltung von Tools und Forschungsinfrastukturen (INF, P03, MGK). In der dritten Phase sollen Forschungswerkzeuge für qualitative und digitale Methodologien weiter ausgebaut und für die Erforschung sensorischer Kooperation weiterentwickelt werden. Das Data Stories Tool (INF), das Genese und Lebendigkeit qualitativer Forschungsdaten im Forschungsdatenmanagement und bei der Nachnutzung von Daten offenlegt, soll für die Integration sensorischer Daten erweitert werden. Zudem verfolgt der SFB das Ziel, den Einsatz digitaler Methoden auf das heterogene Feld der Sensormedien auszuweiten und als kritische technische Praxis zu reflektieren (Chao et al. 2023) (MGK) und die Nutzung KI-basierter Methoden experimentell zu erkunden (Weber/Ludwig 2020) (INF).
  • Neu ist, dass die Frage der Gestaltung nicht nur auf Tool- und Technikebene adressiert wird, sondern auch Modi sozialer, rechtlicher und aktivistischer Gestaltung berücksichtigt, siehe Ö-Projekt. So entwickelt beispielsweise A07 auf Grundlage empirischer Analysen Handlungsempfehlungen für den Umgang mit (sensorbasierten) Personendaten und ihren Industrien. P06 forscht nicht nur über die sensorischen und Datenpraktiken ziviler Akteur*innen in der Ukraine, sondern gestaltet sie gemeinsam im Rahmen einer kooperativen Forschungspraxis.

In der letzten Förderphase entwickelt der SFB die Theorie und Methodologien einer kooperativen Medienforschung im Kontext ubiquitärer Sensormedien weiter. Sensormedien verbinden Medien mit ihren Umgebungen, sie verschränken menschliche und technische Akteur*innen (siehe I.), das technische und das menschliche Sensorium (siehe II.) und verlangen nach einer Weiterentwicklung und Spezifizierung des Kooperationsbegriffs im Kontext dieser Wechselwirkungen. Sensormedien tragen zu einer Verlagerung von Sensing und Sense-Making in computerisierte, KI-basierte Infrastrukturen bei, deren öffentliche Problematisierung der SFB erforscht und gestaltet (siehe III.). Dadurch sollen die konzeptionellen und methodologischen Beiträge des SFB seit der ersten Förderphase vertieft und entlang von Sensormedien weiter entwickelt werden. Medien und Daten sind kooperativ erarbeitete Kooperationsbedingungen, die im Kontext von Sensormedien sowohl Infrastrukturen, Öffentlichkeiten, Umgebungen, Körper als auch menschliche und technische Sensorien miteinander verschränken. Ausgehend von dieser Arbeitsdefinition leistet der SFB kritisch-gestaltende Beiträge zu dringenden Fragen unserer Datengesellschaft und untersucht, wie unser Leben, unsere Körper und Umgebungen mit und ohne Konsens verdatet sowie mittels KI verrechnet werden und wer die Bedingungen datenbasierter Kooperation auf welche Weise gestaltet.

 

Literatur

Aal, K., Nina B.-R. und M. Rohde. 2022. „Media, Technologies, Cooperation – Re-thinking Publics and Publicness in the MENA Region“. Computer Supported Cooperative Work 31: 149–157. DOI: 10.1007/s10606-022-09435-6

Agre, P. E. 1994. „Surveillance and capture: Two models of privacy“. The Information Society 10(2): 101–27. DOI: 10.1080/01972243.1994.9960162.

Agre, P. E. 1997. „Toward a Critical Technical Practice: Lessons Learned in Trying to Reform AI“. Social Science Technical Systems and Cooperative Work Beyond the Great Divide, herausgegeben von G. Bowker, G. Bowker, S. Leigh Star, L. Gasser, und W. Turner, 1–17. New York, NY: Psychology Press.

Amelang, K., C. Eisenmann, J. Kehr, H. Kurz, M. Uhlig, und E. Voss, Hrsg. 2020 und 2021. Curare Corona Diaries I & II. (2 Doppelhefte). Curare 43(1–4) und 44(1–4).

Andrejevic, M. 2020. Automated Media. London, New York, NY: Routledge.

Andrejevic, M. und M. Burdon. 2015. „Defining the Sensor Society“. Television & New Media 16(1): 19–36.

Apprich, C., F. Cramer, W. Hui Kyong Chun, und H. Steyerl. 2018. Pattern Discrimination. Lüneburg: meson press.

Aral, S. 2020. The Hype Machine: How Social Media Disrupts Our Elections, Our Economy, and Our Health – and How We Must Adapt. New York: Currency.

Bareikyte, M. und Y. Skop. 2022. „Archiving the Present. Critical Data Practices During Russia’s War in Ukraine“. Sociologica 16(2): 199–215. DOI: 10.6092/issn.1971-8853/15361.

Bauer, T. 2018, Die Vereindeutigung der Welt. Über den Verlust an Mehrdeutigkeit und Vielfalt. Stuttgart: Reclam.

Becker, M. 2022. „In Gesellschaft von Maschinen: Die IT-Regulierung autonomer Systeme“. In Automatisierte Systeme, herausgegeben von P. Buck-Heeb und B. Oppermann, 29–52. München: C.H. Beck.

Bee, J. 2021. „Collagen, Montagen – Anordnen, Umordnen: Wie mit Bildern Experimentieren“. In Experimente lernen, Techniken tauschen. Ein spekulatives Handbuch, herausgegeben von J. Bee und G. Egert, 29-49. Weimar, Berlin: Nocturne.

Bee, J. 2018. „Erfahrungsbilder und Fabulationen. Im Archiv der Visuellen Anthropologie“. In Sichtbar machen. Politiken des Dokumentarfilms, herausgegeben von E. Büttner, Ö. Vrääth und L. Stölzl, 93–110. Berlin: Vorwerk 8.

Beer, D. 2018. The Data Gaze: Capitalism, Power and Perception. Thousand Oaks, CA: Sage.

Bender, H. und M. Burkhardt. 2023 (im Erscheinen). „Reinventing Drones: From DIY Experimentation to Professionalization“. Digital Culture & Society.

Bender, H. und M. Kanderske. 2022. „Co-Operative Aerial Images: A Geomedia History of the View from Above“. New Media & Society 24(11): 2468–2492. DOI: 10.1177/14614448221122201.

Benjamin, R. 2019. Race After Technology: Abolitionist Tools for the New Jim Code. Medford, MA: Polity.

Bergmann, J. R. und C. Meyer, Hrsg. 2021. Ethnomethodologie reloaded: neue Werkinterpretationen und Theoriebeiträge zu Harold Garfinkels Programm. Bielefeld: transcript.

Birkner, K., P. Auer, A. Bauer und H. Kotthoff. 2020. Einführung in die Konversationsanalyse. Berlin; Boston: de Gruyter.

Bishop, R. 2015. „Smart Dust and Remote Sensing“. Cultural Politics 11(1): 100–110.

Bjørn, P. und C. Østerlund (2014): Sociomaterial-Design: Bounding Technologies in Practice. Cham: Springer.

Borbach, C. 2022. „An interlude in navigation: Submarine signaling as a sonic geomedia infrastructure“. In: New Media & Society, 24(11), 2493–2513.

Broussard, M. 2018. Artificial Unintelligence: How Computers Misunderstand the World. Cambridge, MA: MIT Press.

Button, G., M. Lynch und W. Sharrock. 2022. Ethnomethodology, Conversation Analysis and Constructive Analysis: On Formal Structures of Practical Action. London, New York: Routledge.

Burkhardt, M. 2023 (im Erscheinen). „Verstrickungen und Verwicklungen: Digitale Medien und Medienwissenschaften“. In Digitale Medien und die Produktion von Wissenschaft: Wissenschaftliches Forschen, Schreiben und Publizieren in den Geistes- und Sozialwissenschaften unter den Bedingungen des digitalen Wandels, herausgegeben von T. Kurtz, D. Meister und U. Sander. Wiesbaden: Springer VS.

Burkhardt, M. 2020. „Nicht-Terminierende Verfahren.“ Internationales Jahrbuch Für Medienphilosophie 6(1): 147–162. DOI: 10.1515/jbmp-2020-0008.

Burkhardt, M., D. van Geenen, C. Gerlitz, S. Hind, T. Kaerlein, D. Lämmerhirt und A. Volmar, Hrsg. 2022. Interrogating Datafication. Towards a Praxeology of Data. Bielefeld: transcript.

Burkhardt, M., K. Grashöfer, M. Shintaro und A. Weich. 2021. „Welche Daten? Welche Literacy? Ein Kommentar zur Data-Literacy-Charta des Stifterverbandes“. Zeitschrift für Medienwissenschaft, ZfM Online, Open-Media-Studies-Blog. URL: zfmedienwissenschaft.de/online/open-media-studies-blog/welche-daten-welche-literacy.

Burrell, J. 2016. „How the Machine ‚Thinks‘: Understanding Opacity in Machine Learning Algorithms“. Big Data & Society 3(1). DOI: 10.2139/ssrn.2660674.

Caliandro, A. 2021. „Repurposing Digital Methods in a Post-API Research Environment: Methodological and Ethical Implications“. Italian Sociological Review 11(April). DOI: 10.13136/ISR.V11I4S.433.

Cave, S. und K. Dihal. 2020. „The Whiteness of AI“. Philosophy & Technology 33(4): 685–703. DOI: 10.1007/s13347-020-00415-6.

Campos-Castillo, C. und S. Hitlin. 2013. „Copresence: Revisiting a Building Block for Social Interaction Theories”. In Sociological Theory, 31(2), 168–192.

Cerna, K., C. Müller, D. Randall und M. Hunker. 2022. Situated Scaffolding for the New Politics of Recognition. Cambridge, MA: MIT Press.

Cerna, K., R. Paluch, F. Bäumer, T. Ertl, und C. Müller. 2021. „Transformation of HCI co-research with older adults: researchers’ positionality in the COVID-19 pandemic“. Interaction Design and Architecture(s) Journal – IxD&A 50: 27–47. DOI: 10.55612/s-5002-050-002.

Chakrabarty, D., und B. Latour. 2021. The Climate of History in a Planetary Age. Chicago, London: The University of Chicago Press.

Chao, J., D. van Geenen, C. Gerlitz und F.N. van der Vlist. 2023 (im Erscheinen) „Digital methods for sensory media research“. Convergence, Special Issue: Critical Technical Practice(s) in Digital Research.

Chau, A. Y. 2008. „The Sensorial Production of the Social“. Ethnos 73(4): 485–504. DOI: 10.1080/00141840802563931.

Chun, W. H. K. und A. Barnett. 2021. Discriminating Data: Correlation, Neighborhoods, and the New Politics of Recognition. Cambridge, MA.: MIT Press.

Clarke, A.E., C. Friese und R. Washburn. 2018. Situational Analysis: Grounded Theory After the Interpretive Turn. Los Angeles: Sage.

Couldry, N. und U. A. Mejias. 2019. „Data Colonialism: Rethinking Big Data’s Relation to the Contemporary Subject“. Television & New Media 20(4): 336–349. DOI: 10.1177/1527476418796632.

Classen, C. und D. Howes. 2020. „The Cultural Life of the Senses in Modernity“ In The Routledge Companion to Cultural History in the Western World, herausgegeben von A. Arcangeli, J. Rogge und H. Salmi, 467-487. London: Routledge.

Crawford, K, und T. Paglen. 2019. „Excavating AI: The Politics of Images in Machine Learning Training Sets“. URL: www.excavating.ai/ .

Crawford, K. 2021. Atlas of AI: Power, Politics, and the Planetary Costs of Artificial Intelligence. New Haven, London: Yale University Press.

Dieter, M., C. Gerlitz, A. Helmond, N. Tkacz, F.N. van der Vlist, und E. Weltevrede. 2019. „Multi-Situated App Studies: Methods and Propositions“. Social Media + Society 5(2). DOI: 10.1177/2056305119846486.

Dieter, M., A. Helmond, N. Tkacz, F.N. van der Vlist, und E. Weltevrede. 2021. „Pandemic Platform Governance: Mapping the Global Ecosystem of COVID-19 Response Apps“. Internet Policy Review 10(3). DOI: 10.14763/2021.3.1568.

D’Ignazio, C., und L. F. Klein. 2020. Data Feminism. Cambridge, MA: MIT Press.

Dijck, J. van. 2014. „Datafication, dataism and dataveillance: Big Data between scientific paradigm and ideology“. Surveillance & Society 12(2): 197–208. DOI: 10.24908/ss.v12i2.4776.

Douglas-Jones, R., A. Walford und N. Seaver. 2021. „Introduction: Towards an anthropology of data“. Journal of the Royal Anthropological Institute, 27: 9-25. DOI: 10.1111/1467-9655.13477.

Dreschke, A., I. Huynh, R. Knipp und D. Sittler. 2016. Reenactments: Medienpraktiken zwischen Wiederholung und kreativer Aneignung. Bielefeld: transcript.

Due, B.. 2021. „Distributed Perception: Co‐Operation between Sense‐Able, Actionable, and Accountable Semiotic Agents“. Symbolic Interaction, 44(1): 134-162. DOI: 10.1002/symb.538.

Duck, W. und A.W. Rawls. 2020. „Interactional expectations reconfigure in the time of Covid-19 Implications for the uncertainty of social ‚reality‘“. Etnografia Ricerca Qualitativa 2: 207-216.

Duck, W. und A.W. Rawls. 2023. „Black and Jewish: ‚Double Consciousness‘ Inspired a Qualitative Interactional Approach that Centers Race, Marginality, and Justice“. Qualitative Sociology. DOI: 10.1007/s11133-023-09535-9.

Eisenegger, M., M. Prinzing, P. Ettinger und R. Blum, Hrsg. 2021. Digitaler Strukturwandel der Öffentlichkeit: Historische Verortung, Modelle und Konsequenzen. Wiesbaden: Springer.

Eisenmann, C. und C. Meyer. 2020. „Wearing a Face Mask in Everyday Life – About Recalibrations in the Interactional Infrastructure of Global Cooperation“. Global Cooperation Research 2(2): 6-8.

Eisenmann, C. und R. Mitchell. 2022. „Doing Ethnomethodological Ethnography. Moving between Autoethnography and the Phenomenon in ‚Hybrid Studies‘ of Taiji, Ballet, and Yoga.“ Qualitative Research: DOI: 10.1177/14687941221132956.

Eisenmann, C., S. Koch und C. Meyer. 2021. „Rhetoriken skeptischer Vergemeinschaftung: Die öffentlichen Auftritte und Reden bei den Corona-Protesten in Konstanz“. In Die Misstrauensgemeinschaft der ‚Querdenker‘: Die Corona-Proteste aus kultur- und sozialwissenschaftlicher Perspektive, herausgegeben von S. Reichardt, 185-224. Frankfurt a.M.: Campus.

Eisenmann, C., K. Englert, C. Schubert, E. Voss. 2023a. Varieties of Cooperation. Mutually Making the Conditions of Mutual Making. Wiesbaden: Springer.

Eisenmann, C., J. Mlynár, J. Turowetz und A. W. Rawls. 2023b (im Erscheinen). „‚Machine Down‘: Making sense of human-computer interaction – Garfinkel’s early research on ELIZA at MIT in 1967-1968 and its contemporary relevance“. AI & Society.

Eisenmann, C. und A.W. Rawls. 2023 (im Erscheinen). „The Continuity of Garfinkel’s Approach: Seeking Ways of ‚Making the Phenomenon Available Again‘ through the Experience and Usefulness of ‚Trouble‘“. In The Anthem Companion to Harold Garfinkel, herausgegeben von P. Sormani und D. vom Lehn. London/New York: Anthem Press.

Engemann, C., und A. Sudmann, Hrsg. 2018. Machine Learning: Medien, Infrastrukturen und Technologien der künstlichen Intelligenz. Bielefeld: Transcipt.

Es, K. van, und N. Verhoeff. 2023. Situating Data Inquiries in Algorithmic Culture. Amsterdam: Amsterdam University Press.

Förster, S. 2023. „Small Talk: About the Size of Language Models“. Toward a Minor Tech: A Peer-reviewed Newspaper 12(1). URL: cc.vvvvvvaria.org/wiki/Pdf:Toward_a_Minor_Tech.

Freist, D. 2015. „Historische Praxeologie als Mikro-Historie“. In Praktiken der Frühen Neuzeit. Akteure – Handlungen – Artefakte, herausgegeben von A. Brendecke, 62–77. Weimar, Köln, Wien: Böhlau.

Friedrich, K. und A. S. A. Hoel, 2021. „Operational analysis. A method for observing and analyzing digital media operations“. New Media & Society 25(1): 50–71. DOI: 10.1177/1461444821998645

Fuller, M. und E. Weizman. 2021. Investigative Aesthetics: Conflicts and Commons in the Politics of Truth. Brooklyn: Verso Books.

Gabrys, J. 2016. Program Earth. Environmental Sensing Technology and the Making of a Computational Planet. Minneapolis, London: University of Minnesota Press.

Garfinkel, H. 1956. „Some Sociological Concepts and Methods for Psychiatrists“. Psychiatric Research Reports 6: 181–198.

Garfinkel, H. 1967. Studies in Ethnomethododogy, Englewood Cliffs, NJ: Prentice Hall.

Garfinkel, H. 1969. „Some Phenomena Specifying the Science-in-the-Lebenswelt, and Some Methods for their Study“, Talk to San Jose Conference „Being-in-Society: Explorations in Social Reality“, November 14-16 (revised December 19, 1969).

Garfinkel, H. 1984. Studies in Ethnomethodology. Cambridge, UK: Polity Press.

Garfinkel, H. 2020. Studien zur Ethnomethodologie, herausgegeben von E. Schüttpelz, A.W. Rawls und T. Thielmann. Frankfurt a.M.: Campus.

Garfinkel, H. und A.W. Rawls. 2002. Ethnomethodology’s Program: Working out Durkeim’s Aphorism. Legacies of Social Thought. Lanham, Md: Rowman & Littlefield Publishers.

Gerlitz, C. 2016. „What Counts? Reflections on the Multivalence of Social Media Data“. Digital Culture & Society 2(2): 19–38. DOI: 10.14361/dcs-2016-0203.

Gerlitz, C. und B. Rieder. 2018. „Tweets Are Not Created Equal: Investigating Twitter’s Client Ecosystem“. International Journal of Communication 12: 528–547. DOI: 1932–8036/20180005.

Gibson, W. und D. vom Lehn. 2021. „Introduction: The Senses in Social Interaction“. Symbolic Interaction 44(1): 3–9. DOI: 10.1002/symb.539.

Gießmann, S. 2022. „Identifizieren.“ In Historisches Wörterbuch des Mediengebrauchs. Bd. 3, herausgegeben von H. Christians, N. Wegmann und M. Bickenbach, 134–162. Köln: Böhlau.

Gießmann, S., R. Trischler, und M. Zillinger, Hrsg. 2023. Materiality of Cooperation. Wiesbaden: Springer VS.

Goffman, E. 1966. Behavior in Public Places. New York: Free Press.

Goodwin, C. 2017. Co-Operative Action. Cambridge: University Press.

Göbel, H.K. und S. Prinz, Hrsg. 2015. Die Sinnlichkeit des Sozialen: Wahrnehmung und materielle Kultur, Bielefeld: transcript.

Gray, J., C. Gerlitz, und L. Bounegru. 2018. „Data Infrastructure Literacy“. Big Data & Society 5(2). DOI: 10.1177/2053951718786316.

Grimshaw, A. und A. Ravetz, Hrsg. 2005. Visualizing Anthropology. Bristol, UK ; Portland, OR: Intellect.

Habscheid, S., T. M. Hector, C. Hrncal und D. Waldecker. 2021. „Intelligente Persönliche Assistenten (IPA) mit Voice User Interfaces (VUI) als ‚Beteiligte‘ in häuslicher Alltags­interaktion. Welchen Aufschluss geben die Protokolldaten der Assistenzsysteme?“ Journal für Medienlinguistik 4(1): 16–53. DOI: 10.21248/jfml.2021.44.

Gaver, W.W., A. Dunne, und E. Pacenti. 1999. „Design: Cultural Probes“. Interactions 6(1): 21-29. DOI: 10.1145/291224.291235.

Gukelberger, S., S. Koch und C. Meyer. 2021. „Querverbindungen: Semiotiken des Verdachts“. In Die Misstrauensgemeinschaft der ‚Querdenker‘. Die Corona-Proteste aus kultur- und sozialwissenschaftlicher Perspektive, herausgegeben von S. Reichardt, 225-253. Frankfurt a. M.: Campus.

Haigh, T. und P. E. Ceruzzi. 2021. A New History of Modern Computing. Cambridge, MA: MIT Press.

Halpern, O., und R. Mitchell. 2022. The Smartness Mandate. Cambridge, MA: MIT Press.

Heath, C. und P. Luff. 2022. „Technology in Practice“. In The Ethnomethodology Program: Legacies and Prospects, herausgegeben von D.W. Maynard und J. Heritage, 398-419. New York, NY, Oxford University Press.

Loukissas, Y. A. 2019. All Data Are Local. Thinking Critically in a Data-Driven Society. Cambridge, MA, London: MIT Press.

Hector, T., D. Waldecker, N. Strüver und T. Aal. 2023 (im Erscheinen). „Taming Digital Practices: On the Domestication of Data-Driven Technologies.“ Digital Culture & Society. Thematic Issue 9(1).

Hector, T., F. Niersberger-Gueye, F. Petri und C. Hrncal. 2022. „The ,Conditional Voice Recorder’: Data practices in the co-operative advancement and implementation of data-collection technology”. Working Paper Series Media of Cooperation 23(Sep). DOI: 10.25819/ubsi/10225.

Hennion, A. 2007. „Those Things That Hold Us Together: Taste and Sociology“. Cultural Sociology 1(1): 97–114. DOI: 10.1177/1749975507073923.

Hight, C. 2018. „Indexicality in the Age of the Sensor and Metadata“. In Critical Distance in Documentary Media, herausgegeben von G. Cammaer, B. Fitzpatrick und B. Lessard, 23–44. Cham: Springer.

Hind, S., M. Kanderske und F.N. van der Vlist. 2022. „Making the Car ‚Platform Ready‘: How Big Tech Is Driving the Platformization of Automobility“. Social Media + Society 8(2). DOI: 10.1177/20563051221098697.

Hind, S. 2022. „Making Decisions: The Normal Interventions of Nissan ‚Mobility Managers‘“. In Mobilities 17(4): 467-483.

Hirschauer, S. 2016. „Verhalten, Handeln, Interagieren: Zu den mikrosoziologischen Grundlagen der Praxistheorie“. In Praxistheorie. Ein soziologisches Forschungsprogramm, herausgegeben von H. Schäfer, 45–68. Bielefeld: transcript.

Iliadis, A. und F. Russo. 2016. „Critical Data Studies: An Introduction“. Big Data & Society 3(2). DOI: 10.1177/2053951716674238.

Imo, W. und J. P. Lanwer. 2019. Interaktionale Linguistik. Eine Einführung. Stuttgart: Metzler.

Inman, S. und D. Ribes. 2019. „‚Beautiful Seams‘: Strategic Revelations and Concealments“. In Proceedings of the 2019 CHI Conference on Human Factors in Computing Systems, 1–14. Glasgow Scotland Uk: ACM. DOI: 10.1145/3290605.3300508.

Isin, E. und E. Ruppert. 2020. „The Birth of Sensory Power: How a Pandemic Made It Visible?“ Big Data & Society 7(2). DOI: 10.1177/2053951720969208.

Kanderske, M. 2023 (im Erscheinen). „Domesticating Motile Media: The Routes and Routines of Vacuum Robots“. Digital Culture & Society.

Keating, P. und A. Cambrosio. 2003. Biomedical Platforms: Realigning the Normal and the Pathological in Late-Twentieth-Century Medicine. Inside Technology. Cambridge, MA: MIT Press.

Knorr Cetina, Karin. 2020. „Takeover by Science: The Long Contemporary History of Financial Markets“. Sartoniana 33: 17–67.

Krüger, M.P. 2023. Careful Interventions – On Care and Participation in Design for Migration and Arrival. Dissertationsschrift der Universität Siegen.

Latour, B. und P. Weibel, Hrsg. 2005. Making things public: atmospheres of democracy. Cambridge, MA, Karlsruhe: MIT Press, ZKM/Center for Art and Media in Karlsruhe.

Lave, J. und E. Wenger. 1991. Situated learning: legitimate peripheral participation. Learning in doing. Cambridge, UK, New York, NY: Cambridge University Press.

Lury, C. und N. Wakeford. 2012. Inventive Methods: The Happening of the Social. London: Routledge.

Lynch, M. 2022. Harold Garfinkel: Studies of Work in the Sciences. London: Routledge.

Manheim E. 1979 (1933). Aufklärung und öffentliche Meinung, Studien zur Soziologie der Öffentlichkeit im 18. Jahrhundert. Stuttgart: Frommann-Holzboog.

Marres, N. 2011. „The Costs of Public Involvement: Everyday Devices of Carbon Accounting and the Materialization of Participation“. Economy and Society 40(4): 510–33. DOI: 10.1080/03085147.2011.602294.

Marres, N. 2015. Material Participation. Basingstoke: Palgrave Macmillan.

Marres, N. 2017. Digital Sociology. London: Wiley.

Marres, N. 2020a. „Co‐existence or Displacement: Do Street Trials of Intelligent Vehicles Test Society?“ The British Journal of Sociology 71(3): 537–555. DOI: 10.1111/1468-4446.12730.

Marres, N. 2020b. „For a Situational Analytics: An Interpretative Methodology for the Study of Situations in Computational Settings“. Big Data & Society 7(2). DOI: 10.1177/2053951720949571.

Marres, N., G. Colombo, L. Bounegru, C. Gerlitz, J. Gray and J. Tripp. 2023. (im Erscheinen) „Testing and not testing for Covid on Twitter: Surfacing testing situations across scales with interpretative methods“. Social Media & Society.

Marres, N., und C. Gerlitz. 2016. „Interface methods: Renegotiating relations between digital social research, STS and sociology“. Sociological Review 64(1). DOI: 10.1111/1467-954X.12314.

Marres, N. und P. Sormani. 2023 (im Erscheinen). „Testing ‚AI‘: Do We Have a Situation? – A Conversation“. Working Paper Series Media of Cooperation.

Marres, N. und D. Stark. 2020. „Put to the test: For a new sociology of testing“. Br J Sociol 71: 423– 443. DOI: 10.1111/1468-4446.12746.

Martin, B. und B. Hanington. 2012. Universal Methods of Design: 100 Ways to Research Complex Problems. Develop Innovative Ideas, and Design Effective Solutions. Beverly, MA: Rockport Publishers.

Martus, S., und C. Spoerhase. 2022. Geistesarbeit. Eine Praxeologie der Geisteswissenschaften. Berlin: Suhrkamp.

Maynard, D. und J. Heritage, Hrsg. 2022. The Ethnomethodology Program. Legacies and Prospects. Oxford: Oxford University Press.

McElvenny, J. und A. Ploder, Hrsg. 2021. Holisms of Communication: The Early History of Audio-Visual Sequence Analysis. Berlin: Language Science Press.

McLuhan, M. 1994 (1964). Understanding Media: The Extensions of Man. Cambridge, Mass: MIT Press.

Meier zu Verl, C. und C. Meyer. 2022. „Ethnomethodological Ethnography. Historical, Conceptual, and Methodological Foundations“. Qualitative Research. DOI: 10.1177/14687941221129798.

Meier zu Verl, C., S. Koch und C. Meyer. 2021. „Streit um den Gemeinsinn: Interaktionen zwischen Protestierenden und anderen Anwesenden bei den Corona-Protesten in Konstanz“. In Die Misstrauensgemeinschaft der ‚Querdenke‘. Die Corona-Proteste aus kultur- und sozialwissenschaftlicher Perspektive, herausgegeben von S. Reichardt, 257-291. Frankfurt a.M.: Campus.

Meier zu Verl, C., C. Meyer und F. Oberzaucher. 2023. „Alltagssprache, Beschreibungssprache und praxeologische Validität: Aspekte sozialwissenschaftlicher Güte aus der Perspektive des interpretativen Paradigmas und der Ethnomethodologie“, in: Zeitschrift für Soziologie 52(1), 50-66. Oldenburg: De Gruyter.

Mersch, D. 2006, „Mediale Paradoxa. Einleitung in eine negative Medienphilosophie“, in: Sic et Non. Zeitschrift für Philosophie und Kultur im Netz 6. URL: www.dieter-mersch.de/.cm4all/mediadb/mersch.negative.medienphilosophie.pdf.

Mersch, D. 2015, „Wozu Medienphilosophie? Eine programmatische Einleitung“, in: Internationales Jahrbuch für Medienphilosophie 1(1): 13−48. DOI: 10.1515/jbmp-2015-0103

Meyer, C. 2021. „Co-sensoriality, con-sensoriality, and common-sensoriality: The complexities of sensorialities in interaction“. Social Interaction. Video-Based Studies of Human Sociality 4(3): DOI: 10.7146/si.v4i3.128153.

Meyer, C. und E. Schüttpelz. 2019. „Warum gibt es überhaupt Medien, und nicht vielmehr nicht? Sprachtheorie nach fünfzig Jahren Ethnomethodologie und Konversationsanalyse”. In Sprachmedialität. Verflechtung von Sprach- und Medienbegriffen, herausgegeben von H. Halász und C. Lörincz, 359-383. Bielefeld: transcript.

Meyer, N. und A. H. Jucker. 2022. „Co-presence and beyond: Spatial configurations of communication in virtual environments“. In: Pragmatics of Space, herausgegeben von A. H. Jucker und H. Hausendorf, 579–608. Berlin, Boston: De Gruyter.

Mohn, B.E., J. Wiesemann, A. Vogelpohl und P. Hare, Hrsg. 2023 (im Erscheinen). Berührung neu erfinden. Sinnespraktiken in digitalen Kindheiten. Ein Blicklabor an 10 kamera-ethnographischen Szenen / Reinventing Touch. Sensory Practices in Digital Childhoods. Diverse Perspectives Encounter 10 Camera Ethnographic Scenes. Berlin, Münster: Lit.

Mondada, L., J. Bänninger, S. A. Bouaouina, L. Camus, G. Gauthier, P. Hänggi, M. Koda, H. Svensson und B. Tekin. 2020. „Human sociality in the times of the Covid‐19 pandemic: A systematic examination of change in greetings“. Journal of Sociolinguistics 24: 441-468.

Mondada, L. 2021. Sensing in social interaction: the taste for cheese in gourmet shops. Learning in doing: social, cognitive and computational perspectives. Cambridge, UK, New York, NY: Cambridge University Press.

Mörtenböck, P., und H. Mooshammer, Hrsg. 2020. Data Publics: Public Plurality in an Era of Data Determinacy. London; New York: Routledge.

Mosconi, G., H. Karasti, D. Randall und V. Pipek. 2022. „Designing a Data Story: An Innovative Approach for the Selective Care of Qualitative and Ethnographic Data“. In Interrogating Datafication, herausgegeben von M. Burkhardt, D. van Geenen, C. Gerlitz, S. Hind, T. Kaerlein, D. Lämmerhirt und A. Volmar, 207–230. transcript.

Müller, C. und D. Struzek. 2022. „User-Oriented Innovations: On Cooperative Imagination Spaces in R&D Projects to Support Older Adults in Rural Areas with ICT and Sensor Technology“. In Interrogating Datafication: Towards a Praxeology of Data, herausgegeben von M. Burkhardt, D. van Geenen, C. Gerlitz, S. Hind, T. Kaerlein, D. Lämmerhirt und A. Volmar, 167-184. Bielefeld: transcript.

Müller, C., M. Schorsch und D. Strutzek. 2023. „Mutually Designing Domestic IT Applications with Older Adults“. In Varieties of Cooperation. Mutually Making the Conditions of Mutual Making, herausgegeben von C. Eisenmann, K. Englert, C. Schubert und E. Voss, 203–223. Wiesbaden: Springer.

Nassehi, A. 2021, Unbehagen – Theorie der überforderten Gesellschaft. München: C.H. Beck.

O’Grady, N. 2022. „Mediating Affective Atmospheres through Public Wifi Infrastructure“. In Interrogating Datafication: Towards a Praxeology of Data, herausgegeben von M. Burkhardt, D. van Geenen, C. Gerlitz, S. Hind, T. Kaerlein, D. Lämmerhirt, und A. Volmar, 233–249. Bielefeld: transcript.

Omena, J. J., E. Pilipets und J. Chao. 2021. „The Potentials of Google Vision API-based Networks to Study Natively Digital Images“. Revista Diseña, 19. DOI: 10.7764/disena.19.Article.1.

Paßmann, J. und C. Schubert. 2021. „Liking as taste making. Social media practices as generators of aesthetic valuation and distinction“. In New Media & Society 23(10), 2947–2963.

Perriam, J., A. Birkbak und A. Freeman. 2020. „Digital Methods in a Post-API Environment“. International Journal of Social Research Methodology 23(3): 277–290. DOI: 10.1080/13645579.2019.1682840.

Pink, S. 2010. „The Future of Sensory Anthropology/the Anthropology of the Senses“. Social Anthropology 18(3): 331–333. DOI: 10.1111/j.1469-8676.2010.00119_1.x.

Pink, S. 2015. Doing Sensory Ethnography. London, CA: Sage.

Pipek, V. und V. Wulf. 2009. „Infrastructuring: Toward an Integrated Perspective on the Design and Use of Information Technology“. Journal of the Association for Information Systems 10(5), 447-473.

Ploder, A. und T. Thielmann. 2021. „Methodological Adequacy: Ein sozial-, wissenschafts- und medientheoretischer Beitrag zu Selektionspraktiken“. In Ethnomethodologie reloaded: Neue Werkinterpretationen und Theoriebeiträge zu Harold Garfinkels Programm, herausgegeben von J. R. Bergmann und C. Meyer, 189-226. Bielefeld: transcript.

Potthast, J. 2017. „The sociology of conventions and testing“. In Social Theory Now, herausgegeben von C. Benzecry, M. Krause und I.A. Reed, 337-360. Chicago: Chicago University Press.

Rancière, J. 2008. Die Aufteilung des Sinnlichen: die Politik der Kunst und ihre Paradoxien. Berlin: b-books.

Ratto, M. 2011. „Critical Making: Conceptual and Material Studies in Technology and Social Life“. The Information Society 27(4): 252–260. DOI: 10.1080/01972243.2011.583819.

Rawls, A.W. 2008. „Editor’s Introduction“. In Harold Garfinkel, Toward a Sociological Theory of Information, 1–100. Boulder: Paradigm.

Rawls, A.W. 2022. „Inequality is a scientific issue when the technologies of practice that create social categories become dependent on justice in modernity“. In The Social Origins of Thought: Durkheim, Mauss, and the Category Project, herausgegeben von J. F. M. Schick, M. Schmidt und M. Zillinger, 86-112. New York, Oxford: Berghahn.

Rawls, A.W., und W. Duck. 2020. Tacit Racism. Chicago: University of Chicago Press.

Rawls, A.W., und M. Lynch. 2022. „Ethnography in Ethnomethodology and Conversation Analysis: Both, neither, or something else altogether?“. Qualitative Research. DOI: 10.1177/14687941221138410.

Rawls, A.W. und D. Mann. 2015. „Getting Information Systems to Interact: The Social Fact Character of ‚Object‘ Clarity as a Factor in Designing Information Systems”. The Information Society 31(2): 175-192.

Rawls, A.W., K.A. Whitehead und W. Duck. 2020. Black Lives Matter – Ethnomethodological and Conversation Analytic Studies of Race and Systemic Racism in Everyday Interaction. New York: Routledge.

Reckwitz, A. 2015. „Sinne und Praktiken“ In Die Sinnlichkeit des Sozialen: Wahrnehmung und materielle Kultur, herausgegeben von H.K. Göbel und S. Prinz, 441-455. Bielefeld: transcript.

Reckwitz, Andreas. 2021. Spätmoderne in der Krise: was leistet die Gesellschaftstheorie? Berlin: Suhrkamp.

Rességuier, A. und R. Rodrigues. 2020. „AI Ethics Should Not Remain Toothless! A Call to Bring Back the Teeth of Ethics“. Big Data & Society 7(2). DOI: 10.1177/2053951720942541.

Rettberg, J. W. 2020. „Situated Data Analysis: A New Method for Analysing Encoded Power Relationships in Social Media Platforms and Apps“. Humanities and Social Sciences Communications 7(5). DOI: 10.1057/s41599-020-0495-3.

Rieder, B., und Y. Skop. 2021. „The Fabrics of Machine Moderation: Studying the Technical, Normative, and Organizational Structure of Perspective API“. Big Data & Society 8(2). DOI: 10.1177/20539517211046181.

Rodaway, P. (1994). Sensuous Geographies: Body, Sense and Place. London: Routledge.

Rogers, R. 2013. Digital Methods. Cambridge, London: MIT Press.

Röhl, T. 2022. Verteilte Zurechenbarkeit: die Bearbeitung von Störungen im Öffentlichen Verkehr. Frankfurt a.M.: Campus.

Ruppert, E., J. Law und M. Savage. 2013. „Reassembling Social Science Methods: The Challenge of Digital Devices“. Theory, Culture & Society 30(4): 22–46. DOI: 10.1177/0263276413484941.

Ruppert, E. S. und S. Scheel, Hrsg. 2021. Data Practices: Making up a European People. London: Goldsmiths Press.

Sadeghian, S., M. Hassenzahl und K. Eckoldt. 2020. „An exploration of prosocial aspects of communication cues between automated vehicles and pedestrians“. In 12th International Conference on Automo-tive User Interfaces and Interactive Vehicular Applications (AutomotiveUI ’20), 205–211. New York, NY: Association for Computing Machinery. DOI: 10.1145/3409120.3410657.

Sahle, P. und J. Schmidt. 2023 (im Erscheinen). „Der Text des Soziologen. Ist da ein Werk in diesem Nachlass?“ In editio. Internationales Jahrbuch für Editionswissenschaft, herausgegeben von R. Nutt-Kofoth und B. Plachta.

Salter, C. 2022. Sensing Machines: How Sensors Shape our Everyday Life. Cambridge, MA: MIT Press.

Schafer, V. und J. Winters. 2021. „The values of web archives“. International Journal of Digital Humanities 2(1): 129–144. DOI: 10.1007/s42803-021-00037-0.

Schäfer, H. 2021. „Der Gebrauch des Digitalen. Zur praxeologischen Analyse digitaler Kultur“. In Mittelweg. Zeitschrift des Hamburger Instituts für Sozialforschung 36: 3-14.

Schatzki, T. R. 2016. „Praxistheorie als flache Ontologie“. In Praxistheorie. Ein soziologisches Forschungsprogramm, herausgegeben von H. Schäfer, 29–44. Bielefeld: transcript.

Schillmeier, M. 2010. Rethinking Disability: Bodies, Senses, and Things. New York, London: Routledge.

Schmidt, P., A. Reiss, R. Duerichen, C. Marberger und K. van Laerhoven. 2018. „Introducing WESAD, a Multimodal Dataset for Wearable Stress and Affect Detection“. In Proceedings of the 20th ACM Inter-national Conference on Multimodal Interaction (ICMI ‘18), 400-408. New York, NY: Association for Computing Machinery. DOI: 10.1145/3242969.3242985.

Scholz, S. 2021. „Sensing the ‚Contemporary Condition‘: The Chronopolitics of Sensor-Media“. Krisis | Journal for Contemporary Philosophy 41(1): 135–156. DOI: 10.21827/krisis.41.1.36967.

Schubert, C. und A. Kolb. 2021. „Designing Technology, Developing Theory: Toward a Symmetrical Approach“. Science, Technology, & Human Values 46(3): 528–554. DOI: 10.1177/0162243920941581.

Schüttpelz, E. 2017. „Infrastructural Media and Public Media“. Media in Action 1(1): 13–61.

Schüttpelz, E. 2019. „Methoden sind die Praktiken einer theoretischen Fragestellung“. In Zeitschrift für Medienwissenschaft 11(21): 162–164.

Schüttpelz, E. 2020. „‚Professional vision‘ bei Harun Farocki und Charles Goodwin, oder: Wie man anderen zeigt, dass sie nicht sehen, was Profis sehen.“ Vortrag auf der Farocki Tagung in Siegen, Januar 2020:

Schüttpelz, E. 2021a. „Media Theory Before and after the Practice Turn“. In Connect and Divide: The Practice Turn in Media Studies, herausgegeben von E. Schüttpelz, U. Bergermann, M. Domman, J. Stolow und N. Taha, 237–245. Zürich: Diaphanes.

Schüttpelz, E. 2021b. „Vom Werkzeug zum Behälter, vom Behälter zum Medium: Die Ausweitungen des Körpers“. In Erfinden, Schöpfen, Machen. Körper- und Imaginationstechniken, herausgegeben von N. Engelhardt und J.F.M. Schick, 25–72. Bielefeld: transcript.

Schüttpelz, E. 2023. „Reinventing the Wheel of Media Theory“. In Varieties of Cooperation. Mutually Making the Conditions of Mutual Making, herausgegeben von C. Eisemann, K. Englert, C. Schubert und E. Voss, 21–41. Wiesbaden: Springer.

Schüttpelz, E., U. Bergermann, M. Domman, J. Stolow und N. Taha. 2021. Connect and Divide: The Practice Turn in Media Studies. Zürich: Diaphanes.

Schüttpelz, E. und S. Gießmann. 2015. Medien der Kooperation. Überlegungen zum Forschungsstand. DOI: 10.25969/mediarep/1424.

Scoble, R., und S. Israel. 2014. Age of Context: Mobile, Sensors, Data and the Future of Privacy. North Charleston: Brewster.

Shneiderman, B. 2022. Human-Centered AI. New York: Oxford University Press.

Sinders, Caroline. 2020. „Feminist Data Sets“. Clinic for Open Source Arts. URL: carolinesinders.com/wp-content/uploads/2020/05/Feminist-Data-Set-Final-Draft-2020-0517.pdf.

Sormani, P. 2020. „‚DIY AI‘? – Practicing Kit Assembly, Locating Critical Inquiry“. Ethnographic Studies 17: 60-80.

Sormani, P. 2023. „Remaking Intelligence? Of Machines, Media, and Montage“. TECNOSCIENZA: Italian Journal of Science & Technology Studies 13(2): 57–86.

Sormani, P. und D. von Lehn, Hrsg. 2023 (im Erscheinen). „Rediscovering Garfinkel’s ‚Experiments‘, Renewing Ethnomethodological Inquiry“. In The Anthem Companion to Harold Garfinkel, herausgegeben von P. Sormani und D. vom Lehn. London, New York: Anthem Press.

Sprenger, F. 2019. Epistemologien des Umgebens: zur Geschichte, Ökologie und Biopolitik künstlicher environments. Bielefeld: transcript.

Sprenger, F. und C. Engemann. 2015. Internet der Dinge: über smarte Objekte, intelligente Umgebungen und die technische Durchdringung der Welt. Digitale Gesellschaft. Bielefeld: transcript.

Star, S.L. 1989 „The Structure of Ill-Structured Solutions. Boundary Objects and Heterogeneous Distributed Problem Solving“. In:  Distributed Artificial Intelligence, herausgegeben von L. Gasser und  M.N. Huhns,  37–54. London, Pitman, San Mateo, CA: Morgan Kaufmann.

Star, S. L. 2017. Grenzobjekte und Medienforschung. Bielefeld: transcript.

Stark, D. 2020. „Testing and Being Tested in Pandemic Times“. Sociologica 14(1): 67–94. DOI: 10.6092/issn.1971-8853/10931.

Steinhoff, J. 2022. „Toward a Political Economy of Synthetic Data: A Data-Intensive Capitalism That Is Not a Surveillance Capitalism?“ New Media & Society. DOI: 10.1177/14614448221099217.

Strauven, W. 2021. Touchscreen Archaeology: Tracing Histories of Hands-On Media Practices. Lüneburg: Meson Press.

Suchman, L. A. 1987. Plans and Situated Actions: The Problem of Human-Machine Communication. Cambridge, New York: Cambridge University Press.

Teil, G. und A. Hennion. 2018. Discovering Quality or Performing Taste? A Sociology of the Amateur. Qualities of Food. Manchester: Manchester University Press.

Thielmann, T. 2016. „Net-work: Harold Garfinkels Utopie von Verständigung“. In Vollstes Verständnis. Utopien der Kommunikation, herausgegeben von C. Pias und S. Rieger, 159-187. Berlin, Zürich: Diaphanes.

Thielmann, T. 2019. „Sensormedien: eine medien- und praxistheoretische Annäherung.“ Woking Paper Series Media of Cooperation 9(Sep). DOI: 10.25819/ubsi/31.

Thielmann, T. 2022a. „Die Datalität von Situationen. Zur Aktualität von Torsten Hägerstrand“. Navigationen – Zeitschrift für Medien- und Kulturwissenschaften, 22(1): 239–242. DOI: 10.25969/mediarep/18784.

Thielmann, T. 2022b. „Environmental Conditioning: Mobile Geomedia and their Lines of Becoming in the Air, on Land, and on Water“. New Media & Society 24(11), 2438–2467. DOI: 10.1177/14614448221122190.

Thielmann, T. und P. Sormani. 2023 (im Erscheinen). „Zatocoding Remodeled? Harold Garfinkel’s Hybrid Studies avant la lettre“. International Journal of Digital Humanities.

Vannini, P., D.D. Waskul und S. Gottschalk. 2012. The Senses in Self, Society, and Culture: A Sociology of the Senses. Contemporary Sociological Perspectives. New York: Routledge.

Vlist, F.N. van der, A. Helmond. 2021. „How partners mediate platform power: Mapping business and data partnerships in the social media ecosystem“. Big Data & Society 8(1). DOI: 10.1177/20539517211025061

Vlist, F.N. van der. 2022. The Platform as Ecosystem: Configurations and Dynamics of Governance and Power. Dissertationsschrift der Utrecht University. DOI: 10.33540/1284.

Vlist, F.N. van der, A. Helmond, M. Burkhardt und T. Seitz. 2022. „API Governance: The Case of Facebook’s Evolution“. Social Media + Society 8(2). DOI: 10.1177/20563051221086228.

Vogl, J. 2007. „Becoming-media: Galileo’s Telescope” In Grey Room 29: 14-25. DOI: 10.1162/grey.2007.1.29.14.

Volmar, A., O. Moskatova und J. Distelmeyer. 2023. Videoconferencing: Infrastructures, Practices, Aesthetics. Bielefeld: transcript.

Waldecker, D. 2022. „Zur empirischen und theoretischen Kritik der Datensouveränität anhand der Smart-Speaker-Nutzung“. merzWissenschaft 66(6): 147-157.

Weber, P. und T. Ludwig. 2020. „(Non-)Interacting with Conversational Agents: Perceptions and Motivations of Using Chatbots and Voice Assistants“. In MuC ’20: Proceedings of Mensch und Computer 2020, 321–331. New York, NY: Association for Computing Machinery.

Weibert, A., K. Aal, M. Rohde und V. Wulf. 2021. „Scaling Local Experiences to Global Challenges: Insights from Grounded Design and Value Sensitive Design“. Ethics and Information Technology 23(1): 33–37. DOI: 10.1007/s10676-018-9470-8.

Weibert, A., N. O. Ribeiro, M. Krüger, A. Alkhatib, M. Muntean, K. Aal und D. Randall. 2023. Literacy and the Process of Becoming Home: Learnings from an Interactive Storytelling-Initiative. Computer Supported Cooperative Work 7(1). DOI: 10.1145/3579503.

Weiser, M. 1999. „The computer for the 21st century“. ACM SIGMOBILE Mobile Computing and Communications Review 3(3): 3-11. DOI: 10.1145/329124.329126.

Whittaker, M., M. Alper, O. College, L. Kaziunas und M.R. Morris. 2019. „Disability, Bias, and AI“. AI Now Insititute. URL: www.bennettc.com/wp-content/uploads/2022/02/Whittaker_disability-bias-and-AI.pdf.

Wickberg, A und J. Gärdebo. 2022. Environing Media. Routledge Environmental Humanities. London: Routledge.

Wieringa, M. 2020. „What to Account for when Accounting for Algorithms: A Systematic Litera-ture Review on Algorithmic Accountability“. In Proceedings of the 2020 Conference on Fairness, Accountability, and Transparency, 1–18. FAT* ’20. Barcelona, Spain: Association for Computing Machinery.

Wulf, V.; A. Weibert; K. Aal; S. Rüller und M. Rohde. 2021. „The Praxeological Research Programme of Socio-Informatics – the Siegen School”. Acta Informatica Pragensia 10(3): 333-348. DOI: 10.18267/j.aip.171.

Zillinger, M. 2017. „Graduated Publics: Mediating Trance in the Age of Technical Reproduction“. Current Anthropology 58 (S15): 41–55. DOI: 10.1086/689740.

Zillinger, M. 2021. „Hamid’s Travelogue: Mimetic Transformations and Spiritual Connectivities Across Mediterranean Topographies of Grace“. Zeitschrift für Ethnologie 145(2): 237–254 . DOI: 10.18452/24036.

Zuboff, S. 2019. The Age of Surveillance Capitalism: The Fight for a Human Future at the New Frontier of Power. London: Profile books.

 

Download PDF