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„Verteilte Zurechenbarkeit. Die Bearbeitung von Störungen im Öffentlichen Verkehr“
Tobias Röhl
Campus, 2022
Tobias Röhl wurde für seine am SFB (Teilprojekt A04) entstandene Habilitationsschrift „Verteilte Zurechenbarkeit. Die Bearbeitung von Störungen im Öffentlichen Verkehr“ (Campus, 2022) mit dem Forschungspreis Ethnographie der Sektion Wissenssoziologie der DGS ausgezeichnet. Die Preisverleihung fand am 21. Juni 2024 auf den 9. Feldarbeitstagen an der TU Dortmund statt. Die gewürdigte Arbeit untersucht das komplexe Störungsmanagement im öffentlichen Verkehr und geht der Frage nach, wie Verantwortlichkeit (Accountability) in Situationen von Störungen vermittelt und zwischen verschiedenen Akteuren – vom Fahrpersonal bis zur Verwaltung – verteilt wird. Röhl zeigt auf, dass sich Verantwortlichkeit im Störungsfall nicht auf Einzelpersonen reduzieren lässt, sondern durch das Zusammenspiel verschiedener Akteure und technischer Infrastrukturen entsteht. Diese „verteilte Zurechenbarkeit“ ist das Ergebnis eines dynamischen Prozesses, in dem Rollen und Zuständigkeiten fließend sind und immer wieder neu ausgehandelt werden. Die innovative organisationsethnographische Studie eröffnet wertvolle Einblicke in das Zusammenspiel von Technik und Organisation und liefert Ansatzpunkte für eine fundierte Kritik des Öffentlichen Verkehrs.
Störungen des öffentlichen Verkehrs sind nervenaufreibend. Doch wo beschwert man sich, wenn der Zug ausfällt? Beim Personal vor Ort oder gleich beim Unternehmen? Der ethnographische Blick ins Störungsmanagement der Verkehrsbetriebe zeigt: Jeweils für sich genommen ist keine der beiden Strategien hilfreich. Mit Rückgriff auf Forschungen zu Accountability und technischen Infrastrukturen zeichnet die organisationsethnographische Studie nach, wie Fragen der Verantwortlichkeit technisch vermittelt und zwischen verschiedenen Akteuren hin- und hergeschoben werden. Diese „verteilte Zurechenbarkeit“ lässt sich nicht in einzelnen Individuen verorten, sondern findet sich im Zusammenspiel unterschiedlicher Akteure, in den Prozessen und Praktiken des Störungsmanagements.
Eine ausführliche Rezension zu Tobias Röhls Habilitationsschrift „Verteilte Zurechenbarkeit. Die Bearbeitung von Störungen im Öffentlichen Verkehr“ von Hendrik Vollmer wurde 2024 in der Soziologische Revue 47 (3): 377-380 veröffentlicht.
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Über den Forschungspreis
Die Sektion Wissenssoziologie der Deutschen Gesellschaft für Soziologie lobte 2024 den zum fünften Mal zu vergebenden „Forschungspreis Ethnographie“ für innovative und herausragende Arbeiten auf dem Gebiet ethnographischer Sozialforschung aus. Der Preis wurde mit 1.500 Euro dotiert und im Rahmen der in der Regel alle zwei Jahre durchgeführten „Feldarbeitstage“ verliehen. Die 9. Feldarbeitstage fanden im Juni 2024 zum ersten Mal an der TU Dortmund statt.
Mit dem „Forschungpreis Ethnographie“ prämiert werden wissenschaftliche Veröffentlichungen (Monographien oder Aufsätze in deutscher oder englischer Sprache), die in den drei vor der Preisverleihung liegenden Kalenderjahren publiziert worden sind. Ausgewählt werden die Preisträgerin bzw. der Preisträger von einer Jury, der fünf Mitglieder der Sektion Wissenssoziologie der Deutschen Gesellschaft für Soziologie angehören.
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Tobias Röhl war von 2016 bis 2020 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Teilprojekt A04 – „Normale Betriebsausfälle. Struktur und Wandel von Infrastrukturen im öffentlichen Dienst“ am Sonderforschungsbereich 1187 „Medien der Kooperation“. Seit 2021 ist er Professor für Digitales Lernen und Lehren an der Pädagogischen Hochschule Zürich und beschäftigt sich mit dem digitalen Wandel der schulischen Bildung. Nach einem Studium der Soziologie, Medienwissenschaft und Sprachwissenschaft an der Universität Konstanz und am Trinity College Dublin promovierte er 2012 am Institut für Soziologie der Universität Mainz mit einer Arbeit zur Bedeutung von Medien und Artefakten im Schulunterricht. Seine 2021 an der Universität Siegen angenommene Habilitation (venia legendi: Soziologie) beschäftigt sich mit den Dynamiken der Zurechenbarkeit im Störungsmanagement des öffentlichen Verkehrs. Derzeit forscht Röhl zum digitalen Wandel der schulischen Bildung mit einem besonderen Fokus auf die pädagogische Professionalität im Kontext von Künstlicher Intelligenz.
Die Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS) ist ein gemeinnütziger Verein, dessen Zielsetzungen vor allem darin bestehen, sozialwissenschaftliche Probleme zu erörtern, die wissenschaftliche Kommunikation der Mitglieder zu fördern und an der Verbreitung und Vertiefung soziologischer Kenntnisse mitzuwirken. Die DGS beteiligt sich an der Klärung von Fach- und Studienfragen der Soziologie und pflegt die Beziehungen zur Soziologie im Ausland. Die DGS stellt die Vereinigung wissenschaftlich qualifizierter Soziologinnen und Soziologen Deutschlands dar. Sie hat heute rund 3.500 Mitglieder. Ihr gehören ungefähr vier Fünftel aller promovierten Soziologinnen und Soziologen Deutschlands an. Mitglieder der Gesellschaft können alle Personen werden, die sich durch Studium, Forschung, Lehrtätigkeit oder Veröffentlichungen im Bereich der Soziologie wissenschaftlich ausgewiesen haben.
Die Skalierungsleistung von Sensormedien steht im Zentrum der 3. Förderphase (2024-2027) des SFB 1187 Medien der Kooperation. Das Forschungsprogramm des SFB umfasst das gesamte Spektrum dieser Skalierungsleistung – von der Ebene des Körpers und der Mikrointeraktion bis hin zu verteilten Situationen von Sensordaten, transnationaler Überwachung und globalen Dateninfrastrukturen.
Mit „Scales of Cooperation“ diskutiert der SFB das skalenübergreifende Kooperationsverständnis ausgehend von mikro-situativen Kooperationspraktiken bin zur Kooperation transnationaler Infrastrukturen mit ihren Daten und Datenpraktiken. Ziel ist die Entwicklung einer Medientheorie dieser kooperativ verfassten Skalierungsleistung, die 2027 zu einer Abschlusstagung und -publikation des SFB führen soll.
Dazu startet der SFB im Sommersemester 2004 mit einer Veranstaltungsreihe zu „Scales of Sovereignty“, die unterschiedliche Skalierungen des Souveränitätsanspruchs verschiedener Akteure von der lokalen bis zur globalen Ebene untersucht – ausgehend von individuellen medialen Situationen bis hin zur politisch-regulatorischen Ebene der Europäischen Union und darüber hinaus.
Vortragsreihe „Scales of Sovereignity“ – Sommersemester 2024
Digitale Politik und postdigitale Souveränität: Zwischen Technokratie, Öffentlichkeit und medialer Kontrolle?
15.05.24 | 4.15-5.45 PM | Hybrid
Vortrag von Prof. Dr. Stephan Packard (Universität zu Köln)
The Double Alignment Problem – On the Transfer of Sovereignty between Humans and AI
28.05.24 | 4.15-5.45 PM | Hybrid
Vortrag von Prof. Dr. Roberto Simanowski
The Double Alignment Problem Continued (Teil der Werkstatt Medienpraxistheorie)
29.05.24 | 10.00-11.30 AM | Hybrid
Workshop mit Prof. Dr. Roberto Simanowski
The Semi-Souvereign Fifth Estate
12.06.24 | 4.15-5.45 PM | Hybrid
Vortrag von Prof. Dr. William Dutton (Michigan State University)
Regulating Sovereignty in Cyberspace
29.05.24 26.06.24 (neuer Termin) | 4.15-5.45 PM | Hybrid
Vortrag von Prof. Dr. Yik Chan Chin (Beijing Normal University)
Alle Veranstaltungen finden hybrid (vor Ort und via Webex) statt.
Universität Siegen
Campus Herrengarten
Herrengarten 3
57072 Siegen
Raum AH-A 217/218
Hier geht es zur Online-Anmeldung.
Jutta Wiesemann, Teilprojektleiterin des Projekts B05 „Frühe Kindheit und Smartphones“, war am 14.03.2024 Studiogast in der ‚Lokalzeit‘. In der regionalen WDR-Sendung wurde u.a. die Tablet-Kita Krümelkiste in Arnsberg vorgestellt. Im anschließenden Gespräch mit der Moderatorin unterstreicht Wiesemann die Bedeutung digitaler Bildung und die damit verbundene Notwendigkeit zur Entwicklung von Medienbildungskonzepten für die Kita.
Jutta Wiesemann ist Professorin für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Grund- und Vorschulpädagogik und forscht am SFB zu Sinnespraktiken in digitalen Kindheiten.
Die WDR Sendung ist in der ARD-Mediathek verfügbar.
SFB 1187 Medien der Kooperation für weitere 4 Jahre gefördert
Wir freuen uns, den offiziellen Start der 3. Phase unseres Sonderforschungsbereichs Medien der Kooperation bekannt zu geben. Wir heißen alle Mitglieder herzlich willkommen!
→ Zum Forschungsprogramm der dritten Förderphase
Über neue Projekte
Ein besonderer Willkommensgruß geht an unsere neuen Projekte und Mitglieder! Wir freuen uns sehr, folgende Projekte und Teilprojektleiter*innen dazu gewonnen zu haben:
A07 – Industrie der Personendaten, geleitet von Max Becker (zusammen mit Marcus Burkhardt)
B09 – Fahrradmedien: Kooperative Medien der Mobilität, geleitet von Julia Bee
P04 – Precision Farming: Ko-operative Praktiken des Virtual Fencing, geleitet von Kathrin Friedrich (zusammen mit Tristan Thielmann)
P05 – Soziale Interaktion im semi-automatisierten Straßenverkehr, geleitet von Shadan Sadeghian und Kristof van Laerhoven
P06 – War Sensing, Leitung: Migle Bareikyte
Ö – Öffentlichkeitsarbeit: Kooperatives Forschen und Gestalten, geleitet von Julia Bee (zusammen mit Jutta Wiesemann und Martin Zillinger)
Wir freuen uns auf die kommenden vier Jahre, die gemeinsame Forschung, intensive Feldarbeit, kollaborative Methodenentwicklung, interdisziplinärer Zusammenarbeit und abschließenden Publikationen. In den kommenden Jahren werden wir erneut unsere Agenda vorantreiben, um die Beziehung zwischen Sensing und Sensemaking, die kooperative Verfertigung sensorischer Medien zu erforschen und unsere eigene Auffassung einer sensorischen Praxeologie zu entwickeln. Dabei können wir auf acht Jahre Erfahrung kooperative Forschungsleistungen zurückgreifen.
Wie die DFG in ihrem Bewilligungsschreiben schreibt:
„Die dritte Förderperiode verspricht dabei eine reiche Erntephase und sie markiert zugleich Aufbruch und Perspektiven für weitere Forschung über den Sonderforschungsbereich hinaus.“
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