Mobility, Affect and Cooperative Media
Thursday, 04 December 2025 - Friday, 05 December 2025

Individuelle Affekte wachsen nicht im Stillen – sie entstehen im Gewebe kultureller Normen und sozialer Erwartungen. Doch nicht nur kulturelle Normen sind Mediatoren unserer Selbst: Ebenso fungieren Technologien, Artefakte und Werkzeuge als solche. Diese kooperieren und interagieren mit uns, sie erweitern und verlängern uns, verstärken oder dämpfen Affekte. Die Grenzen dessen, womit wir uns emotional identifizieren oder verbunden fühlen, reichen über das physische Selbst hinaus und umfassen externe Objekte, die dadurch Teil der eigenen emotionalen Landschaft werden. Dadurch wirken Angriffe auf diese Objekte wie persönliche Affronts – etwa im Kontext von Mobilität, wo das Auto als Erweiterung des privaten Raums wahrgenommen wird (siehe Katz, 1999). Das zeigt sich ebenso in Kampagnen gegen das Tempolimit („Tempolimit? NEIN Danke“), die liebgewonnene Praktiken trotz des Potenzials zur CO₂-Reduktion leidenschaftlich verteidigen. Während Katz affektive Dynamiken als körper- und technikvermittelte Prozesse beschreibt, die nicht zwingend in neue politische Handlungsmöglichkeiten münden, möchten wir im Workshop ergänzende Perspektiven eröffnen. Anhand konkreter empirischer Beispiele wollen wir untersuchen, inwiefern affektive Prozesse durchaus als Ansatzpunkt für bislang wenig beachtete politische Potenziale verstanden werden können. Katz zeigt am Beispiel des Ausrastens beim Autofahren einen Vorgang der Normalisierung, der zwar emotionale Reflexivität freisetzt, aber sogleich wieder unterbindet. Diese stünde dann als politische Ressource nicht mehr zur Verfügung. Ließe sich Normalisierung nach diesem Schema generalisieren, wäre es um die Politisierbarkeit (hier: des Straßenverkehrs) schlecht bestellt. Wo Infrastrukturen des motorisierten Individualverkehrs (wie in Los Angeles) dominieren, nehmen technisch vermittelte Interaktionen einen Verlauf, der die Entstehung und Aufrechterhaltung öffentlicher Räume unmöglich macht. Anderenorts ist das Spannungsverhältnis zwischen Affekten, Artefakten und Mobilität – insbesondere im Hinblick auf deren mögliche Politisierung − noch empirischen Untersuchungen zu unterziehen. In unseren alltäglichen Mobilitätspraktiken werden wir durch materielle und immaterielle Artefakte wie Fahrräder, Autos, Tempolimits, Flugzeuge und den notorisch verspäteten Zug vermittelt und affektiv tangiert. All diese Objekte rufen Affekte wie Widerstand, Wut, Zuneigung, Schuld, Gefühle der Zugehörigkeit oder Ablehnung hervor und können politisch konnotiert sein (zum Beispiel Fahrrad, siehe Bee et al. 2022). Die Bewegungspraktiken materieller und sensitiver Körper in sozial hochgradig determinierten Räumen erzeugen komplexe Affekte. Mobilität wird umgekehrt auch über Affekte reguliert, etwa durch halb- oder unbewusste Orientierungen und Vermeidungsstrategien. Affekte bestimmen etwa den Radius, die Qualität der Bewegungsform, kennzeichnen aber auch das Beharrungsvermögen von petrobasierten Verkehrsmitteln, die habitualisiert sind und infrastrukturell gestützt werden. Körper, die sich in Öffentlichkeiten bewegen, sind affektive Körper, sie teilen sich Räume und stellen Öffentlichkeiten her. Ihre unterschiedlichen Positionierungen, etwa durch Geschlecht, Rassifizierung und Be_hinderung machen sie unterschiedlich vulnerabel. Körper orientieren sich auch über Affekte, z. B. durch sensorische Erfahrungen, die in gefährlichen Verkehrsräumen wie dem motorisierten Straßenverkehr von Radfahrenden und Fußgänger:innen gemacht werden, aber auch in öffentlichen Verkehrsmitteln. Diese sind nicht immer einzelnen, klar trennbaren Emotionen zuzuordnen, sondern sprechen komplexe Affektlagen an, die verschiedene Sinne involvieren und verschiedene sensuelle Vermögen aktivieren. Der Workshop erkundet den Zusammenhang von Mobilitätstransformationen und Affektdynamiken. Dafür bringt er verschiedene Ansätze zusammen, die sich sowohl mit (Makro-) Diskursen als auch mit (mikroskopischen) Beobachtungen zu Affekten auseinandersetzen. Es geht um Affekte, die durch die Diskurslage ausgelöst werden, und um mikroaffektive Situationen alltäglicher Navigation oder unfallvermeidender Manöver − insbesondere im Fall von Fahrrad- und Fußmobilität.