„Künstlerische Webbrowser: Experimentelle Testumgebung und methodische Herausforderung“: Vortrag von Daniela Hönigsberg (KIT Karlsruhe)
In der Informatik wird Quellcode traditionell entwickelt, getestet, überarbeitet. Es geht darum Projekte zu optimieren, zu bewerten, zu debuggen, weiterzuführen oder in andere Systeme zu migrieren. Die Formen der Analyse sind auf diese Kerninteressen hin angelegt. Disziplinen wie die Software Studies oder die Critical Code Studies schlagen einen anderen Zugang vor, der den Quellcode stärker in seinem soziokulturellen Umfeld verortet und untersucht. Das von mir vorgeschlagene Vorgehen bewegt sich methodisch in einem Zwischenraum dieser Zugänge und orientiert sich dabei an den Konzepten der visuellen Programmierung in Lernumgebungen wie Scratch. Denn was in Scratch z.B. zur Vermeidung von Syntaxfehlern der jungen ProgrammiererInnen dient, kann auch in der geisteswissenschaftlichen Untersuchung nutzbringend sein. Die farblichen Kategorien der Programmiersprache vereinfachen und markieren die unterschiedlichen Prozesse nicht nur syntaktisch, sie strukturieren und ordnen sie auch semantisch. Dies bietet einen quellcode-nahen Zugang zu künstlerischen Projekten, räumt jedoch ebenso die Möglichkeit ein auf die Prozesse zu fokussieren, die explizit die Nutzungserfahrung und das Nutzungsverhalten betreffen. Diese zwei Aspekte stehen im Zentrum vieler der untersuchten künstlerischen und experimentellen Anwendungen. Denn künstlerische Webbrowser verhandeln nicht nur Aspekte des Internets, die normalerweise unbemerkt bleiben indem sie einen alternativen Zugang zum Internet offerieren. Die KünstlerInnen widmen divergierenden Nutzungsangeboten in ihren Anwendungen, sowie visuellen, akustischen, räumlichen und zeitlichen Konfigurationen große Aufmerksamkeit. Mit der hier vorgestellten Methode möchte ich die künstlerischen Projekte als eine experimentelle Testumgebung für Nutzer:innenerlebnisse und Handlungsmöglichkeiten für Webbrowser in ihren technischen als auch systemischen Einbettungen darlegen.
Daniela Hönigsberg (M.A.) ist akademische Mitarbeiterin am Karlsruher Institut für Technologie im Fachbereich Kunstgeschichte, wo sie im Projekt „Browser Art. Navigieren mit Stil“ im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogramms „Das digitale Bild“ forscht. Sie promoviert an der Technischen Universität Berlin zum Thema der Software als künstlerisches Material. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in computerbasierter Kunst der 1990er und frühen 2000er Jahre, Verflechtungen von Künsten und Wissenschaften sowie der Theorie der klassischen Moderne und frühen Nachkriegsmoderne.