B05 - Frühe Kindheit und Smartphone. Familiäre Interaktionsordnung, Lernprozesse und Kooperation
Forschungsfokus der 2. Phase (2020 – 2023)
Teilprojektleiter*innen:
Mitarbeiter*innen:
Bina Elisabeth Mohn (Dr. phil.)
Astrid Vogelpohl (Dipl. Kult-Päd.)
Ehemalige Mitarbeiter*innen:
Unsere Forschung wird nun zur Langzeitstudie, bei der wir auch auf frühere Beobachtungen aus der ersten Förderphase (2016 – 2019) zurückgreifen.
Was macht eine Kindheit im Zeitalter digitaler Medien aus? In diesem Forschungsprojekt beobachten wir seit 2016 die Einbindung von Babys und (Klein-)Kindern in die alltäglichen Medienpraktiken ihrer Familien. Ziel ist es, Veränderungen im Familienalltag und in den frühen Lernprozessen von Kindern zu erkennen und sichtbar zu machen. Unsere Beobachtungen verweisen auf neue Formen der Aneignung der Welt, die Kinder zusammen mit ihren Eltern etablieren. Das Projekt stellt die digital vollzogenen Praktiken von Kindern im Hinblick auf die empirisch zugänglichen Lernformen in seinen Fokus. Wir entwickeln einen performativen Lernbegriff, der die Veränderungen des medialen Alltags analytisch zu klären ermöglicht.
Digitale Medienpraktiken in der Familie werden mit digitalen Medienpraktiken des Forschens im Rahmen einer zeigenden Ethnographie (Kamera-Ethnographie) untersucht. Dabei wird ein forschungsreflexiver Begriff von Ko-Operation („co-operation“ Goodwin) weiterentwickelt und die Idee „übersichtlicher Darstellungen“ (Wittgenstein) auf Videofragmente und ihre Verknüpfung in offenen Netzen übertragen. Es werden vier zirkuläre Forschungsphasen mit Feldaufenthalten in vielfältigen Familiensettings durchgeführt. Wir generieren audiovisuelle Miniaturen, in denen Praktiken als „Bündel an Praktiken und materiellen Arrangements“ (vgl. Schatzki) beobachtbar werden. Diese stellen das Forschungsmaterial für ordnende Arrangements und Mikroanalysen zum Thema „Medienpraktiken als Lernen“ dar. Über öffentliche Blicklaboratorien werden Forschung und gesellschaftlicher Diskurs zusammengebracht.
Vergangene Veranstaltungen
Die Ausstellung “Berührung neu erfinden. Sinnespraktiken in digitalen Kindheiten” wurde von Mai bis Juni 2023 im Haus der Wissenschaft in Siegen gezeigt und hat kamera-ethnographische Forschungsergebnisse des Projekts “Frühe Kindheit und Smartphone” einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Ein weiteres Mal wurde sie für Fachpublikum im September 2023 geöffnet, im Rahmen der 31. Jahrestagung der DGfE-Kommission Grundschulforschung und Pädagogik der Primarstufe.
Anhand von interaktiven Exponaten und Videoinstallationen bot diese Ausstellung unterschiedliche Möglichkeiten des Eintauchens in die Thematik der Sinnespraktiken in digitalen Kindheiten und des aktiven Mitforschens. Das zeitgleich erschienene Buch Berührung neu erfinden, an dem Forschende unterschiedlicher Fachrichtungen mitgewirkt haben, wurde zum Katalog der Ausstellung, die ihrerseits eine Fortsetzung des Buchprojektes mit performativen Mitteln darstellte. In beiden Fällen trafen unterschiedliche Betrachtungsweisen und Perspektiven aufeinander und konnten sich begegnen.
Informationen zu den Exponaten
Aktuelle Publikationen
Berührung neu erfinden.
Sinnespraktiken in digitalen Kindheiten. Ein Blicklabor an 10 kamera-ethnographischen Szenen
Reinventing Touch.
Sensory Practices in Digital Childhoods. Diverse perspectives encounter 10 camera ethnographic scenes
Reihe: Camera Ethnography
Berlin, Münster, Wien, Zürich, London: LIT, 2023, ISBN 978-3-643-25034-6
Was wird aus dem Berühren beim Zusammensein in digitalen Räumen? Die vorliegende Publikation befragt das Klischee der Berührungsarmut in der digitalen Kindheit anhand unterschiedlicher Perspektiven und Ansätze. Dabei werden Sinnespraktiken in der frühen Kindheit als Medienpraktiken beschrieben, in denen Haut und Displays, Augen und Ohren synergetisch zusammenwirken und zu sensorischen Ereignissen werden. Im Zentrum der Publikation stehen 10 kurze Filme zum Berühren. In der Kombination von Texten und Filmen werden Zusammenhänge von Körperlichkeit, Materialität, Leiblichkeit und Virtualität in digitalen Kindheiten erkundet. (c) LIT Verlag Berlin-Münster-Wien-Zürich-London.
Mohn, Bina Elisabeth. 2023.
Kamera-Ethnographie.
Ethnographische Forschung im Modus des Zeigens. Programmatik und Praxis.
Reihe: Locating Media/Situierte Medien
Bielefeld: transcript, 2023, ISBN: 978-3-8394-3531-1
Das Buch bezieht sich mit zahlreichen Beispielen auf die Erprobung des kamera-ethnographischen Ansatzes im Rahmen der kollaborativen Kamera-Ethnographie, die im Teilprojekt B05 seit 2016 durchgeführt und methodologisch reflektiert wird. Der im SFB vertretene situierte Datenbegriff und die Orientierung von B05 an einem forschungsreflexiven Kooperationsbegriff werden in diesem Buch zusammen mit einer reflexiven Pragmatik und situierten Methodologie konstruktiv aufgegriffen und programmatisch ausgearbeitet.
Wiesemann, J., Eisenmann, C., Fürtig, I., Lange, J., Mohn, B. E. (Hrsg.)
Digitale Kindheiten
Reihe: Medien der Kooperation
Wiesbaden: Springer VS, 2020, ISBN 978-3-658-31725-6
Die Digitalität der Gesellschaft ist durch einen Strukturwandel in allen gesellschaftlichen Bereichen gekennzeichnet. Wie sind digitale Medien Teil gegenwärtiger Kindheiten? Die Untersuchung von Medien und Medienpraktiken im Alltag der Kinder sind neue Herausforderungen für die Kindheits- und Familienforschung, denen mit einem innovativen methodischen und methodologischen Repertoire begegnet wird. Der Band leistet einen Beitrag dazu, die medialen Formen von Kindsein und Familiesein zu klären und etabliert digitale Kindheiten als ein eigenständiges Forschungsfeld.
Hare, P., Mohn, B. E., Vogelpohl, A., Wiesemann, J. (Hrsg.)
Face to Face - Face to Screen
Frühe Kindheit und Medien. 24 kamera-ethnographische Miniaturen
Reihe: Camera Ethnography
Berlin, Münster, Wien, Zürich, London: LIT, 2019. ISBN 978-3-643-14299-3
Anhand 24 kurzer Filme macht dieser Katalog mit DVD beobachtbar, wie Medienpraktiken in der frühen Kindheit die Selbst- und Sachbezüge, den Bezug auf Andere und das Zusammensein als Familie mit konstituieren. Die filmischen Miniaturen und kurzen Texte sind das Ergebnis eines kamera-ethnographischen Hinschauens und dichten Zeigens, das die Autorinnen in 14 Familien unterschiedlicher Nationalität seit 2016 im Rahmen des Sonderforschungsbereichs Medien der Kooperation (Universität Siegen) durchführen. Gebündelt zu vier Kapiteln erlauben die Filme ihren Nutzer*innen eine forschende Rezeption.
Filmprojekt „Showing doing being Nauka“
Vogelpohl, Astrid. 2022. „Showing doing being Nauka“. Nonlineares Filmprojekt zur Langzeitstudie „Digitale Identitätspraktiken in der frühen Kindheit.“ (AT Promotionsprojekt)
„Showing doing being Nauka“ ist ein Forschungsprojekt in Form eines Films mit interaktiver nonlinearer Erzählstruktur. Der in Langzeitstudien mit Kindern meist übliche Fokus auf Entwicklung verschiebt sich hin zu einer analytischen Ordnung nach Begriffsfamilien in einem offenen Netzwerk von filmischen Beobachtungen. Inwiefern, so fragt der Film, können digitale Medienpraktiken in der frühen Kindheit als Identitätspraktiken gedeutet werden? Ein besonderer Reiz des Projekts ist sowohl für die Forschende als auch für die Betrachtenden, dass in der Software „Korsakow“, mit der der Film erstellt wurde, der Zufall, in Form eines Algorithmus, ein Mitspracherecht beim chronologischen Arrangement der Filme reklamiert. Lineares kausales filmisches Denken wird damit ebenso irritiert, wie die Legitimität der ausschließlichen Deutungshoheit von Autor:innen über ihr filmisches Material.
Ausstellung „Das bist du!“ Frühe Kindheit digital
Wiesemann, Jutta, Pip Hare, Bina E. Mohn und Astrid Vogelpohl. 2018-2019. Ausstellung "Das bist du!" Frühe Kindheit digital. Siegerlandmuseum, Siegen (September 2018 - Januar 2019).
Ergebnisse aus der Kamera-Ethnographie wurden in Form der Ausstellung „Das bist Du!“ Frühe Kindheit digital öffentlich gezeigt (Siegerlandmuseum, Siegen, 16.09.2018 bis 06.01.2019). Die Video-Installationen dieser Ausstellung machen auch für ein breiteres Publikum beobachtbar, wie digitale Medienpraktiken in der frühen Kindheit die Selbstbezüge, den Bezug auf Andere, die Sachbezüge und das Familie-Sein mit konstituieren.