Die »Science and Technology Studies« (STS) haben innerhalb von zwei Generationen der Wissenschafts- und Technikforschung in exemplarischen Analysen eine eindrucksvolle Bandbreite unterschiedlicher naturwissenschaftlicher Veröffentlichungsprozesse und Medienpraktiken untersucht: von den Inskriptionen in Labor und Feld bis zur Publikationsreife und zum Lehrbuch, von den infrastrukturellen wissenschaftlichen und technischen Standardisierungen bis zur Wissenschaftspopularisierung und öffentlichen Expertise. Im Vergleich dazu haben die Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften die Erforschung ihrer Medienpraktiken und Veröffentlichungsprozesse und damit die Erschließung ihres eigenen Ursprungs bislang nur zaghaft in Angriff genommen. Diesem Desiderat widmet sich der Workshop »Textpraktiken: Studieren und Edieren« am 8. und 9. Juni 2017 an der Universität Siegen.
Durch die gleichzeitige Inblicknahme des Studierens und Edierens von Textpraktiken und als Textpraktiken sollen Möglichkeiten der konkreten Erforschung und Darstellung von Veröffentlichungsprozessen und Medienpraktiken in den Geisteswissenschaften vorgestellt werden, die zwar von der Wissenschafts- und Technikforschung der Natur- und Informationswissenschaften angeregt sind, in Zukunft aber eine ihrem Gegenstand angemessene eigene Gestalt zu gewinnen haben.
Der Workshop nimmt sich dieser Herausforderung an, indem sowohl die Editionswissenschaft als auch die Wissenschaftsgeschichte des Edierens, insbesondere von literarischen, philosophischen und wissenschaftlichen Texten in den Blick genommen werden. Die Konzentration auf die Praxis des Edierens und ihre Historisierung ist besonders vielversprechend, da die Editionswissenschaft seit jeher ihre Zielsetzung in der Erforschung, Rekonstruktion und Präsentation von Entstehungs- und Veröffentlichungsprozessen sieht. Daher wird im Laufe des Workshops unter anderem folgenden Fragen nachzugehen sein: Wie lassen sich historische Praktiken von Textentstehung und Textpublikation rekonstruieren? Welche historischen Medienpraktiken müssen bei der Erforschung und Beurteilung von Veröffentlichungsprozessen berücksichtigt werden? Wie kann es gelingen, kollaborative Medien- und Publikationspraktiken in einer Edition zu vermitteln und welche Medientypen eignen sich zur Darstellung von Arbeits- und Publikationsprozessen? Nicht zuletzt wird sich die Frage stellen, inwiefern ein sinnstiftendes Potential in den Textpraktiken selbst liegt in Opposition zur behaupteten Endgültigkeit von publizierten Texten und welche Konsequenzen sich daraus für die Editionspraxis ergeben.
Wissenschaftsgeschichtliche Darstellungen erlauben ergänzend die Einbettung editorischer Praktiken in ihre jeweils relevanten historischen und kooperativen Kontexte. Zu Fragen sein wird etwa: Wie kann das Edieren als Textpraxis der Editoren zum Forschungsgegenstand gemacht werden? Inwiefern sind die Herausbildung bestimmter Editionstypen und die Entwicklung von editorischen Praktiken wechselseitig bedingt und welche Rolle spielt dabei der medienhistorische Kontext? Welchen Beitrag können derartige Forschungen zum (Selbst-)Verständnis geisteswissenschaftlicher Arbeitsweisen und der Editionswissenschaft als Disziplin leisten?
Venue
Campus Am Herrengarten
Raum AH 217/18
Am Herrengarten 3
57072 Siegen
Program
Thursday, 08 June 2017
Friday, 09 June 2017
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